Röntgenteleskop XMM-Newton: 20 Jahre im Dienst

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Das von für die ESA entwickelte und gebaute Röntgenobservatorium XMM-Newton startete am 10. Dezember 1999 um 15:32 MEZ, um die Wunder des Röntgenuniversums zu erforschen. Dabei kann das Spezialteleskop auch UV/VIS abbilden.

XMM-Newton, eine der erfolgreichsten europäischen Weltraummissionen, feiert Geburtstag: Seit dem Start, hat XMM-Newton gleichzeitig Röntgenstrahlen, sichtbares und ultraviolettes Licht beobachtet und seine Rolle als eines der wichtigsten astronomischen Observatorien aller Zeiten unter Beweis gestellt.

XMM-Newton 30 Jahre im Dienst?

XMM-Newton, aufgrund der schwarzen Thermalschutzfolie von seinen Erbauern auch die „Schwarze Schönheit“ genannt, besteht aus drei parallel zueinander montierten zylindrischen Spiegelsystemen, die die Röntgenstrahlung in die drei Brennebenen bündeln. Das ermöglicht es Himmelskörper gleichzeitig mit drei Kameras sowie zwei Spektrometern zu beobachten. Letztere zerlegen Röntgenstrahlung auf ähnliche Weise wie Glas-Prismen das Sonnenlicht in seine Spektralfarben auffächert. Aus den Röntgen-„Farben“ können die Astronomen wichtige physikalische Größen, wie Temperatur, Dichte, relative Bewegung entnehmen oder die chemische Zusammensetzung der Materie ermitteln.

Röntgenstrahlung ist, genau wie Licht, eine Form von elektromagnetischer Strahlung, jedoch hunderte bis tausende Male energiereicher. Sie wird von Körpern oder Gasen abgestrahlt, die zwischen einer Million und hundert Millionen Grad Celsius heiß sind. Mit XMM-Newton beobachten Astronomen also den heißen Teil des Universums. Da die alle Röntgenstrahlen blockiert, kann nur ein Teleskop im himmlische Röntgenquellen erkennen und untersuchen. Der Satellit entdeckte mehr Röntgenquellen als jeder andere Satellit zuvor. Er hilft dabei, kosmische Rätsel zu lösen, von dem, was in und um Schwarze Löcher geschieht, bis zur Bildung von Galaxien im frühen . XMM-Newton hat seine ursprüngliche Einsatzzeit von zehn Jahren verdoppelt. Aufgrund des überwältigenden wissenschaftlichen Erfolgs und des exzellenten Zustands des Teleskops wurde die Mission Jahr um Jahr von der ESA verlängert. So ist ein Betrieb aus technischer Sicht bis über das Jahr 2030 hinaus durchaus möglich.

Röntgenteleskop XMM-Newton

Riesige Nachfrage nach Beobachtungszeit

Das Interesse an Beobachtungen mit dem europäischen Weltraumteleskop ist ungebrochen. So wird jedes Jahr bis zu sieben Mal mehr Beobachtungszeit beantragt, als überhaupt zur Verfügung steht. Mit dieser Überbuchungsrate befindet sich XMM-Newton auf demselben Niveau wie das Weltraumteleskop Hubble. Und so sind die Ergebnisse durch die Beobachtungen mit XMM auch Teil zahlreicher Doktorarbeiten. Diese akademischen Arbeiten basieren aber nicht nur auf wissenschaftlichen Ergebnissen (unter Verwendung von XMM-Newton-Beobachtungen und numerischen Vorhersagen), sonder auch auf „technischer“ Arbeit der besonderen Hardware- und Softwareentwicklung, Kalibrierung sowie Betrieb des Teleskops. Seit dem Missionsstart im Jahr 1999 wurden fast 400 Doktorarbeiten mit Ergebnissen oder Erkenntnissen des XMM-Satelliten verfasst. Insgesamt wurden mehr als 6.200 wissenschaftliche „XMM-Arbeiten“ veröffentlicht.

Aber nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht ist XMM-Newton ein herausragender Erfolg, sondern auch in technologischer Hinsicht und bei der Projektabwicklung, denn: Das Vorhaben wurde in nur 38 Monaten realisiert. Der XMM-Newton-Satellit entstand unter der Leitung von in , wobei das Bahn- und Lageregelungssystem (AOCS) von Airbus UK entwickelt wurde und Airbus in die Strukturen des Service-Moduls, das Focal Plane Assembly (FPA), das Thermalkontrollsystem und den Kabelbaum (Harness) beisteuerte. Insgesamt gehörten 45 europäische Firmen und eine US-amerikanische zum Industriekonsortium.

XMM-Newton legt in seiner 48-Stunden-Umlaufbahn fast ein Drittel der Entfernung zum zurück. Am äußersten Punkt (Apogäum) von 114.000 Kilometern Entfernung von der bewegt sich der Satellit sehr langsam. Den erdnahesten Punkt (Perigäum) passiert es 7.000 Kilometer über der mit 24.120 Stundenkilometern viel schneller. Die hochexzentrische Umlaufbahn von XMM-Newton wurde so gewählt, dass seine Instrumente außerhalb der die Erde umgebenden Strahlungsgürtel arbeiten können.

Besondere Optik für Röntgenstrahlung nötig

Röntgenstrahlung lässt sich nicht einfach mit Linsen oder Spiegels bündeln, da sie schlicht in die Materie ein- oder hindurchdringt. Zum bündeln der energiereichen Strahlung braucht es einen sehr flachen Einfallswinkel auf die spiegelnde Fläche. Für Röntgenstrahlung nutzt nman daher ein sogenannte Wolter-System. Eine Menge ineinander geschachtelter Röhren, deren Innenflächen die Spiegel darstellen und aufwändig geschliffen sind, um die Strahlung in einen Fokus zu bringen.

XMM-Newton „zielt“ mit dieser Optik über lange Zeiträume (oft mehr als zehn Stunden) auf entfernte Röntgenquellen. Eine der Hauptanforderungen des Satelliten war deshalb seine sehr hohe Ausrichtegenauigkeit und -stabilität. XMM-Newton kann seine Ausrichtung äußerst präzise steuern, und zwar mit Hilfe von zwei Sätzen von vier kleinen Triebwerken und vier auf dem Satelliten montierten Schwungrädern. Die „Zielgenauigkeit“ des zehn Meter langen XMM-Newton beträgt 0,25 Bogensekunden über einen Zeitraum von zehn Sekunden. Dies entspräche dem Anschauen einer Melone mit einem in der Hand gehaltenen Fernglas aus einer Entfernung von 300 Kilometern und das ohne das geringste Wackeln.