Alles begann 2003 mit einem Wettbewerb im so genannten Nationalen Raumfahrtprogramm, den die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR ausgeschrieben hatte. Die Aufgabe lautete, ein neuartiges Hyperspektralinstrument und einen dazu passenden Satelliten zu designen, zu bauen und beides – Instrument und Satellit – für seinen mehrjährigen Einsatz unter den harschen Bedingungen des Weltraums zu testen.
Parallel fand sich eine (inter-)nationale Gemeinschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zum einen die Nutzungsbedingungen und Zielstellungen der ersten deutschen – und auch ersten europäischen Hyperspektralmission – definierten. Welche Daten unserer Erde wollen wir mit EnMAP erheben, für welchen Zweck? Randbedingungen, unter denen der besondere Umweltsatellit – das Kürzel steht für Environmental Mapping and Analysis Program – geboren wurde.
Am 01. April 2022 hat der etwa kleinwagengroße und eine Tonne schwere EnMAP nun um 18:24 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) als die größte Nutzlast einer Falcon 9-Rakete des US-amerikanischen Raumfahrtkonzerns SpaceX vom Cape Canaveral in Florida aus seine Reise ins All begonnen. EnMAP soll aus 650 Kilometern unsere Erde mit 242 Spektralkanälen aufnehmen.
„Deutschland leistet mit dem Start von EnMAP einen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz. Seine innovative Hyperspektral-Sensorik wird uns die Erde wirklich mit anderen Augen sehen lassen. Wir werden Feinheiten entdecken, die uns bislang verborgen waren. Dank dieser Detailtiefe können wir Veränderungen unserer Umwelt rechtzeitig erkennen und so unser Klima und unsere Umwelt noch besser schützen. EnMAP wird uns auf diese Weise dabei helfen, die globale Landnutzung nachhaltiger zu gestalten, die Folgen des Klimawandels aufzuzeigen und der fortschreitenden Umweltzerstörung entgegenzuwirken. Mit EnMAP Leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag für europäische Raumfahrttechnologie zum Wohle unseres Planeten“, sagt Dr. Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Luft– und Raumfahrt im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
„Mit der Technologie der hyperspektralen Fernerkundung lassen sich stoffliche Zusammensetzungen auf der Erdoberfläche quantifizieren. Die möglichen Anwendungsbereiche reichen dabei von der Land- und Forstwirtschaft und der Landnutzung, der Beobachtung von Gewässern, bis hin zur Geologie, urbanen Nutzung, sowie zu Georisiken und Naturgefahren“, erläutert Prof. Dr. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Satellitendaten liefern zuverlässige qualitative Informationen zum Beispiel über die Landbedeckung und deren räumliche Verteilung. Für die quantitativen Informationen hingegen, wie die Nährstoffversorgung von Ackerpflanzen, die Wasserqualität von Seen oder die Identifikation von Bodenmineralen, werden spektral hochaufgelöste Daten benötigt.“
„Mit dem Start von EnMAP schließen wir eine Lücke in der modernen Erdbeobachtung. Der Weg, den wir dafür gegangen sind, war extrem wichtig für die Leistungsfähigkeit der deutschen Raumfahrtwissenschaft und -industrie. Die Mission hat auf vielen Gebieten neue Entwicklungen an der Grenze des technisch Machbaren erfordert. Am Ende ist ein Satellit dabei herausgekommen, der der gesamten Menschheit zugutekommt. Denn die EnMAP-Daten können zum Beispiel dazu beitragen, die Erträge in der Landwirtschaft nachhaltig zu verbessern und damit die Ernährungssicherheit bei einer steigenden Weltbevölkerung sicherzustellen“, betont Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn, die die EnMAP-Mission im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) führt.
Vom Start bis zu den ersten Daten
Gestartet ist EnMAP unter der Spitze einer Falcon-9-Rakete zusammen mit 39 weiteren, teilweise sehr kleinen Nutzlasten vom Space Launch Complex 40 auf dem Gelände der Cape Canaveral Space Force Station in Florida. Die Reise von EnMAP markiert den 145. Start einer Falcon-9-Rakete, deren erste Stufe nun zum siebten Mal ins All geflogen ist. Mit der Crew-1 und Crew-2 hat sie bereits zweimal Astronauten sicher zur Internationalen Raumstation ISS gebracht. Geplant ist eine Landung auf einem der „Autonomous Spaceport Drone Ships“ (ASDS), damit diese Stufe auch zukünftig weiterverwendet werden kann.
Bereits 15 Minuten nach dem Start hat sich der Satellit von seiner Trägerrakete getrennt. Um 19:45 Uhr MESZ wurden die ersten Daten ins Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum nach Oberpfaffenhofen übertragen. Danach wird EnMAP in Betrieb genommen, die Systeme hochgefahren und der Zielorbit eingestellt. Es folgt eine Phase, in der das ordnungsgemäße Funktionieren des Satelliten überprüft wird. „In dieser Phase wird besonders darauf geachtet, ob die Qualität dieser ersten Daten unseren Erwartungen entspricht. Sechs Monate nach dem Start geht die Mission dann in die operationelle Phase über. Dann können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konkret sagen, welche Gebiete der Erde sie zu einer bestimmten Jahreszeit durch die `Augen‘ von EnMAP kartographiert bekommen möchten“, erklärt Dr. Sebastian Fischer, EnMAP-Gesamtprojektleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Die Daten werden vom Satelliten aufgenommen und dann über den DLR-Bodenstationen in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) und im kanadischen Inuvik während der Überflüge des Satelliten zur Erde heruntergeladen. Diese Rohdaten sind für den Nutzer allerdings noch nicht direkt verwendbar. Sie müssen weiterverarbeitet werden, indem sie mit Lage- und Positionsbestimmungen versehen werden. Nur so wissen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Ende auch, wo welcher Pixel am Boden verortet werden kann. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) sowie das Institut für Methodik der Fernerkundung im DLR prozessieren, archivieren und validieren die Daten, so dass sie am Ende der Wissenschaft weltweit und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Wie EnMAP unsere Erde sieht
Doch wie gewinnt EnMAP eigentlich diese wichtigen Daten? Jedes Material auf der Erdoberfläche reflektiert das Sonnenlicht in einer für ihn charakteristischen Art und Weise und hinterlässt so eine sogenannte Spektralsignatur. Diesen „farbigen Fingerabdruck“ kann EnMAP mit Hilfe seines Messinstruments erkennen, unterscheiden und abbilden. So steht die Mission unter dem Motto „Unsere Erde in mehr als allen Farben“, weil jedes EnMAP-Bild in ganz viele kleine Wellenlängenbereiche zerteilt wird – viel mehr, als unsere Augen wahrnehmen können. „Jeder einzelne Bereich liefert ein Foto, dass den Wissenschaftlern spezielle Informationen über den Zustand unserer Erde gibt. So können wir zum Beispiel den Gesundheitszustand von Pflanzen aus dem All messen und genau verorten. Der Bauer hat Dank der Satellitenperspektive jeden Winkel seines gesamten Feldes im Blick. Er kann dann anhand dieser Daten zielgerichtet entscheiden, wie und wo er düngen und bewässern muss. Das schont nachhaltig Ressourcen und liefert gleichzeitig mehr Ertrag“, erklärt Dr. Sebastian Fischer.
EnMAP – die deutsche Umweltmission und ihre Partner
Die Umweltmission EnMAP wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geführt. Mit der Entwicklung und dem Bau des Satelliten sowie des Hyperspektralinstrumentes wurde die OHB-System AG beauftragt. Die Mission steht unter der wissenschaftlichen Leitung des GeoForschungszentrums Potsdam (GFZ).
Mit dem Aufbau und dem Betrieb des Bodensegments sind drei Institute und Einrichtungen des DLR beauftragt worden: Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen wird den Satellitenbetrieb durchführen und überwachen. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum und das DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung werden die empfangenen Satellitendaten archivieren, prozessieren, validieren und für die Wissenschaft zugänglich machen. Auch Firmen und Behörden werden die Daten ausprobieren und damit künftige Services vorbereiten. Die zukünftige Nutzung der EnMAP-Hyperspektraldaten durch Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen und die Entwicklung von speziellen Anwendungen werden durch BMWK-Förderprogramme unterstützt.