Für Deutschland als Hochtechnologie- und Exportnation ist Spitzenforschung ein unverzichtbarer Standortfaktor. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR stellte jetzt Kernprojekte seiner Forschungsdisziplinen vor. Mit Synthetischen Kraftstoffen, einem Testfeld für autonomes Fahren und einem neuen Forschungsflugzeug erklärt das DLR die Strategie „Zukunftstechnologien für die Gesellschaft 2030“ und verweist auf die Bedeutung von interdisziplinärer Arbeitsweise der Forschungsbereiche für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
„Die gesellschaftliche Diskussion über die ökologischen Konsequenzen unseres täglichen Handelns ist längst auf den Straßen, Plätzen und Schulhöfen angekommen“, betont Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Im DLR forschen wir vom Weltraum bis unter die Wasseroberfläche an den Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels. Mit ausgefeilten Methoden der künstlichen Intelligenz können wir enorme Datenmengen auswerten. Gleichzeitig entwickeln wir in 47 DLR-Instituten innovative Technologien für die aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Das sind insbesondere nachhaltige Mobilität und Energieversorgung, Digitalisierung sowie die Sicherheit kritischer Infrastrukturen. Forschung ist die Grundlage für wirksame Lösungen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.“
Mobilität und Nachhaltigkeit in den Elementen
Um Mobilität klimaverträglich zu gestalten, intensiviert das DLR im Jahr 2020 die Forschung an synthetischen Treibstoffen und alternativen Antrieben – für die Luftfahrt, den bodengebundenen Verkehr und die Seefahrt. Synthetische Brennstoffe auf Basis regenerativer Ressourcen lassen sich so „designen“, dass sie optimal verbrennen und dabei zu weniger Schadstoffen in der Atmosphäre führen. In einer Studie wurden batterie-elektrische und eine hybridelektrische Antriebskonfiguration für Luftfahrzeuge untersucht. Beide Konfigurationen sind technisch realisierbar und flugfähig. Die Konzeptstudie belegt die technische Machbarkeit von elektrischen Flugantrieben im 500-Kilowatt-Bereich.
ISTAR: Falcon mit digitalem Flugzeug-Zwilling
Das DLR empfängt sein neues Forschungsflugzeug ISTAR (In-flight Systems and Technology Airborne Research). Dieser „fliegende Simulator“ wird die DLR-Flotte um einen leistungsstarken Versuchsträger erweitern. Er erlaubt, neue umweltfreundliche Flugzeugkonfigurationen unter realistischen Bedingungen zu testen. Zudem wird für den ISTAR ein digitaler Zwilling geschaffen, der ihn sein gesamtes Flugzeugleben begleiten wird.
Im Bereich unbemanntes Fliegen nimmt das DLR eine Architektenrolle ein. Durch seine zahlreichen Institute verfügt es über die notwendigen und europaweit einzigartigen Forschungskompetenzen, um Herausforderungen wie Antriebe, Energiespeicher, Flugführung, Zulassung und Akzeptanzforschung bis zur erfolgreichen Einführung von unbemannten Flugsystemen zu bewältigen. Im Nationalen Erprobungszentrum in Cochstedt (Titelgrafik) wird diese Forschung zusammengeführt und neue Technologien getestet.
Weltraumbeobachtung, Exoplaneten und Rover auf Mars
2020 beginnt die Umsetzung der Ergebnisse der letzten ESA-Ministerratskonferenz. Deutschland ist international führend in der Erdbeobachtung – sowohl wissenschaftlich, technologisch als auch in der Nutzung und Verarbeitung von Daten zur Analyse des Systems Erde. Mit rund 520 Millionen Euro stärkt die Bundesrepublik ihre Führungsrolle im operationellen europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus. Zudem beteiligt sich Deutschland mit etwa 170 Millionen Euro am wissenschaftlichen Programm FutureEO. Für das neue Programm „Globale Entwicklungshilfe“ (GDA) wurden zehn Millionen Euro gezeichnet. Darüber hinaus unterstützt Deutschland unter anderem eine Arktis-Kleinsatellitenmission zur Verbesserung der kurz- und mittelfristigen Wettervorhersage in der Arktisregion mit 7,5 Millionen Euro.
Ab Ende 2020 soll die Ariane 6 als neue europäische Trägerrakete Nutzlasten ins All bringen. Deutschland beteiligt sich mit insgesamt etwa 90 Millionen Euro an den Entwicklungskosten. Zudem sollen im Dezember weitere Satelliten der Galileo-Familie starten, die ESA-Sonde Solar Orbiter brach am 07. Februar 2020 mit wesentlichen deutschen Beiträgen Richtung Sonne auf und auch die Sentinel-Satellitenfamilie erhielt Zuwachs: Der Erdbeobachtungssatellit Sentinel-6 soll nach seinem Start am 15. November hochpräzise die Topografie der Meeresoberflächen vermessen.
Weltraumradar aus Deutschland
Bereits Ende November 2019 empfing das weltweit einzigartige Radarsystem GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar) erste Signale von Weltraumobjekten. Das in Deutschland mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) entwickelte und gebaute Radar kann Weltraumschrott und aktive Raumfahrtsysteme im erdnahen Orbit beobachten. Ab Herbst 2020 soll GESTRA seinen operationellen Betrieb starten und einen signifikanten Beitrag zur Sicherheit im Weltraum auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene liefern.
Im Dezember 2019 startete das ESA-Weltraumteleskop CHEOPS (CHaracterising ExOPlanets Satellite) in seine Erdumlaufbahn. Dort wird es Planeten außerhalb des Sonnensystems, sogenannte Exoplaneten, auf ihre Größe, Dichte und mögliche Atmosphäre hin untersuchen. Das DLR ist mit Hardware, Aufnahmesensor und Sensorsteuerelektronik sowie in der Datenauswertung beteiligt.
Auf die Suche nach Spuren von Leben wird sich der europäische Mars-Rover im ESA-Programm ExoMars 2020 begeben. Mobil und mit Mess- und Analyseinstrumenten der neusten Generation ausgestattet, nimmt der Rover Boden- und Bohrproben und analysiert sie direkt in seinem Labor. Die DLR-Planetenforschung ist mit der PanCam, einer Stereo-Panoramakamera, sowie der High-Resolution Camera (HRC), einer hochauflösenden Kamera mit Teleobjektiv, an der Marsmission beteiligt.
Raumschiff Orion und „Made in Germany“ auf dem Mond
Mit dem wesentlich in Deutschland entwickelten Europäischen Servicemodul (ESM) soll das US-amerikanische Orion-Raumschiff Ende 2020/Anfang 2021 ins All starten, zum Mond fliegen und wieder zurück zur Erde kommen. Für zukünftige astronautische Langzeitmissionen zum Mond und zum Mars bedarf es spezieller Maßnahmen, um den menschlichen Körper vor Strahlenbelastung im All zu schützen.
Auf dem ersten Mondflug der Orion-Kapsel der NASA werden zwei Messkörper, die DLR- und ISA-Phantome Helga und Zohar, als „Passagiere“ an Bord sein. Mit ihnen messen die DLR-Forschenden die Weltraumstrahlung und testen die Wirksamkeit der im Projekt MARE entworfenen Strahlenschutzweste AstroRad.