Röntgenstrahlung verrät uns viel über unser Universum und die vom deutschen Teleskop eROSITA (extended Roentgen Survey with an Imaging Telescope Array) jetzt gemachten Bilder geben einen Vorgeschmack, auf neue Einblicke in Galaxienhaufen, aktive Galaxienkerne, Supernova-Überreste und Röntgendoppelsterne.
Diese Galaxienkerne und Sternenexplosionen haben eines gemeinsam, sie sind unglaublich heiß und senden deshalb Röntgenstrahlung aus. Und dafür braucht es ein besonderes Auge. Vom 17. bis zum 19. Oktober 2019 haben nun alle sieben „Röntgenaugen“ von eROSITA ihre ersten gemeinsamen Bilder des heißen Universums aufgenommen.
„Ein First Light Ereignis ist immer ein bewegender Moment. Nach vielen Jahren der Vorbereitung, des Baus und nach einem Bilderbuchstart in der kasachischen Steppe sehen wir nun, dass sich alle Anstrengungen gelohnt haben. Das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik hat hier ganze Arbeit geleistet und wir sind sehr froh, dass diese wichtige deutsche Mission nun ihre Arbeit aufnehmen kann“, freut sich Dr. Thomas Mernik, eROSITA-Projektleiter im Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), mit dessen Unterstützung eROSITA vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE) gebaut wurde, in Washington, DC.
Dort, auf dem 70. International Astronautical Congress 2019, und in Deutschland am MPE in Garching wurde das Ereignis gemeinsam mit den russischen Partnern entsprechend gefeiert. Denn neben dem deutschen Röntgenteleskop ist auch das russische ART-XC mit an Bord der russischen Raumsonde Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG).
„First Light“: Elektronik macht Probleme
eROSITA besteht aus sieben einzelnen Teleskopmodulen, die das einfallende Röntgenlicht aus den heißen Quellen des Universums sammeln. Seit dem Start von SRG am 13. Juli 2019 haben die Techniker und Astrophysiker des MPE an der Inbetriebnahme des Teleskops gearbeitet. Zunächst wurden nur einzelne Komponenten angeschaltet und vorsichtig nach und nach auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Doch kam es in den ersten Wochen nach der Inbetriebnahme gelegentlich in einzelnen Teleskopmodulen zu einem Fehlverhalten der Elektronik.
So wurden Parameter ohne erkennbaren Grund verstellt. „Um möglichen Schaden vom Instrument abzuwenden, wurden die Module „schlafen geschickt“ und einzelne Bauteile nur sehr vorsichtig wieder „aufgeweckt“, um sie einzeln zu testen. Als „Übeltäter“ steht die kosmische Strahlung im Verdacht, die kleine Änderungen in manchen Bausteinen ausgelöst haben könnte. Mittlerweile sind wir zu der Auffassung gelangt, dass das Risiko vertretbar ist, so dass eROSITA nach einer kurzen Verzögerung nun den Betrieb aufgenommen hat“, erklärt Thomas Mernik erleichtert. Seit dem 13. Oktober 2019 beobachten alle sieben Module des Röntgenteleskops gleichzeitig den Himmel mit ihren maßgeschneiderten CCD-Kameras.
Historischer Moment im Leben eines Teleskops
„Nun ist der historische Moment im Leben eines Teleskops gekommen, an dem wir zum ersten Mal sehen können, wie gut das Gesamtsystem tatsächlich ist. Mit der Aufnahme von der großen Magellanschen Wolke hat eROSITA eindrucksvoll bewiesen, zu welcher Leistung dieses Instrument fähig ist. Wir sehen ein gestochen scharfes Bild mit erstaunlich wenig Hintergrundrauschen. Diese ersten Eindrücke lassen auf großartige Ergebnisse in den kommenden Jahren hoffen“, freut sich Thomas Mernik. Bei der Röntgenquelle handelt es sich um einen „alten Bekannten“, der bereits mit anderen Teleskopen wie XMM-Newton beobachtet worden ist.
„Wir haben uns für die große Magellansche Wolke entschieden, weil sie schon oft mit anderen Röntgenteleskopen beobachtet worden ist. Der direkte Vergleich mit früheren Aufnahmen zeigt die wahre Leistungsfähigkeit von eROSITA. XMM-Newton beobachtet hauptsächlich speziell ausgewählte Objekte und sieht sie deshalb besonders detailreich. eROSITA liefert genauso detailreiche Aufnahmen – allerdings vom gesamten heißen Universum. Zum anderen haben wir diese Region ausgewählt, weil sie mit „nur“ 170.000 Lichtjahren Entfernung unserem Sonnensystem sehr nahe liegt“, erklärt Thomas Mernik.
Bei dem zweiten beobachteten Motiv – den zwei verschmelzenden Galaxienhaufen A3391 und A3395 – ist das Gegenteil der Fall. „Beide Galaxienhaufen liegen 800 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Hier wollten wir mal sehen, wie weit eROSITA ins heiße Universum schauen kann und wie klar auf diese unvorstellbar große Distanz die Aufnahmen noch sind. Das brillante Ergebnis hat uns alle überrascht“, freut sich Mernik. eROSITA wird in den kommenden Monaten noch weitere solche Aufnahmen machen, um das ganze Leistungsspektrum des deutschen Röntgenteleskops zu überprüfen.
Die Sonde Spektrum-Röntgen-Gamma ist nach mehr als drei Monaten Flugzeit nun in einen Orbit um den Lagrange-Punkt 2, der von der Sonne aus betrachtet 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde liegt, eingeschwenkt. Von hier aus wird eROSITA mit einer Durchmusterung des gesamten Himmels beginnen, um eine Karte der heißen Strukturen im Universum zu erstellen.
Himmelskarte des Universums im Röntgenbereich
Ein Röntgenteleskop sieht die Materie im Universum, die besonders heiß ist. Typische Röntgenquellen sind beispielsweise Doppelsternsysteme, in denen ein normaler Stern wie unsere Sonne, sich mit einem Neutronenstern oder einem schwarzen Loch umkreist. Hier wird dem Stern durch die starke Anziehungskraft des kompakten Begleiters Masse in Form von Gas abgesogen. Dieses Gas fällt dann auf eine Scheibe, welche das schwarze Loch umgibt. Dabei heizt es sich zu extrem hohen Temperaturen auf und sendet Licht im Röntgenbereich aus, das wiederum von Röntgenteleskopen gesehen werden kann.
eROSITA wurde aber auch entwickelt, um Aktive Galaxienkerne (AGN) zu beobachten. Dies sind supermassereiche schwarze Löcher mit vielen Millionen Sonnenmassen. Auch sie sind von heißen Scheiben umgeben, die im Röntgenbereich gut zu beobachten sind. Ein besonderer Schwerpunkt der Mission liegt allerdings auf der Entdeckung und Kartierung von Galaxienhaufen. Diese bestehen aus mehreren hundert Galaxien und saugen durch ihre Schwerkraft Gas aus ihrer Umgebung ein. Das einströmende Gas erhitzt sich und strahlt intensiv im Röntgenbereich.
Dunkle Energie
Im Laufe der Missionsdauer wird eROSITA bis zu 100.000 Galaxienhaufen finden und kartieren. Dafür durchmustert eROSITA alle sechs Monate den gesamten Himmel und erstellt in vier Jahren eine tiefe und detaillierte Karte des Universums. Diese gigantische kosmische Inventur des heißen Universums wird uns helfen, die Struktur des Kosmos und dessen Entwicklung besser zu verstehen. Denn speziell die Expansion des Universums bereitet den Astronomen großes Kopfzerbrechen.
Aus bislang ungeklärten Gründen beschleunigt sich diese Ausdehnung immer weiter. Jene geheimnisvolle Kraft die das Universum auseinandertreibt nennen wir Dunkle Energie. „Da eROSITA uns hilft, die Dynamik der größten Strukturen im Universum besser zu verstehen, lernen wir auch mehr über die kosmische Expansion. eROSITA liefert uns somit Parameter, um der Lösung des Rätsels um die Dunkle Energie näher zu kommen“, erklärt Thomas Mernik.
Spektrum-Röntgen-Gamma SRG
Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG) ist eine Raumfahrtmission mit vielen Partnern. Auf russischer Seite sind die Raumfahrtagentur Roskosmos, der Raumfahrtkonzern Lavochkin sowie das Institut für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften (IKI) eingebunden. Das deutsche Röntgenteleskop eROSITA wurde mit der Unterstützung des DLR Raumfahrtmanagements vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) Potsdam sowie den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Hamburg und Tübingen entwickelt und gebaut.
Zudem bereiten die Universitäten München und Bonn die wissenschaftliche Auswertung der eROSITA-Daten mit vor. Die am deutschen Teleskop beteiligten Partnerinstitute haben Software für die Datenanalyse, Missionsplanung und Simulationen erstellt sowie Teile der Hardware beigestellt. Die hauptsächliche Hardwareverantwortung lag aber im Wesentlichen beim MPE. Hier wurden viele Komponenten entwickelt und zum Teil in Partnerschaft mit ausgewählten Industrieunternehmen gefertigt. Auch der Zusammenbau des Teleskops fand in Garching statt. Von hier aus wurde das Teleskop nach Moskau verbracht, um gemeinsam mit dem russischen Teleskop auf die Satellitenplattform integriert zu werden.