Die internationale Raumfahrt feierte in diesem Sommer 50 Jahre Mondlandung durch die Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin als erste Menschen auf dem Mond. Heute steht der Mond wieder im Fokus vieler Raumfahrtprojekte.
Was bringt die Zukunft für die Raumfahrt noch? Technologischen Innovationen stehen Herausforderungen wie der zunehmende Weltraummüll oder Aspekte der Sicherheit und der Finanzierung gegenüber. Die Raumfahrtbranche ist sich einig, dass die Aufgaben gemeinsam, organisations- und länderübergreifend angegangen werden müssen, um die Zukunft der Raumfahrt sinnvoll zu gestalten. So auch auf dem 68. Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress (DLRK), der vom 30. September bis 02. Oktober 2019 in Darmstadt stattfindet. Auf dem größten wissenschaftlich-technischen Networking-Event der Luft- und Raumfahrtbranche Deutschlands treffen sich rund 600 Experten und der wissenschaftliche Nachwuchs, um sich über aktuelle Themen der Branche auszutauschen.
Raumfahrt bedeutet Zusammenarbeit
Seit einigen Jahren beteiligen sich immer neue Akteure aus der ganzen Welt an der Zukunft der Raumfahrt, darunter ganze Staaten aber auch immer mehr private Unternehmen. Damit Europa in dem stetig wachsenden Markt nicht den Anschluss verliert, ruft der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Prof. Dr. Johann-Dietrich Wörner (im Bild), die europäischen Akteure dazu auf, eine gemeinsame Antwort zu finden. Dabei richtet er sich an die Unternehmen, aber auch an die einzelnen ESA-Mitgliedstaaten. Wörner wirbt dafür, die Raumfahrtprogramme der Länder gemeinsam auf europäischer Ebene zu bestreiten.
Kurz vor der ESA-Ministerratskonferenz Ende November, bei der über neue Vorschläge und die Finanzierung in den nächsten Jahren entschieden wird, stellt Wörner seine Pläne für eine effiziente europäische Weltraumpolitik in seinem Plenarvortrag „United Space in Europe“ beim DLRK in Darmstadt vor. Neben einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit arbeiten Wörner und die ESA auch stetig an Kooperationen mit anderen Raumfahrtnationen – wie zum Beispiel beim amerikanischen Raumschiff Orion, dessen einer Teil, das europäische Servicemodul ESM, in Europa entsteht. Eine engere globale Kooperation könnte sich zukünftig auch in Wörners Vision einer permanenten Forschungsstation auf dem Mond, dem „Moon Village“, zeigen, bei der Nationen aus aller Welt auf dem Mond zusammen arbeiten und leben sollen.
Raketen wie wiederverwenden?
Ein limitierender Faktor für Projekte wie das Moon Village oder auch die weitere Exploration des Weltraums sind unter anderem die hohen Raumtransportkosten. Eine Möglichkeit diese zu senken, bieten wiederverwendbare Raumtransportsysteme. Mit seiner Falcon 9 fliegt das US-amerikanische Unternehmen SpaceX bereits seit einigen Jahren mit wiederverwendbaren Raketen. Damit bietet es derzeit die günstigsten Preise für einen Raketenstart. Aber auch in Europa wird seit vielen Jahren an Konzepten für wiederverwendbare Raumtransportsysteme geforscht.
So arbeiten zum Beispiel sechs europäische Unternehmen und Einrichtungen, darunter auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), an dem Projekt RETALT (RETro Propulsion Assisted Landing Technologies). Drei Jahre lang untersuchen die Partner Aerodynamik, Aerothermodynamik, Flugdynamik, Navigation und Steuerung sowie Strukturteile, Materialien und Mechanismen von rückwärtslandenden Raketen. Denn obwohl die Falcon 9 schon erfolgreich fliegt, sind viele physikalische Phänomene dahinter noch gar nicht genau bekannt.
Im Rahmen des Projekts werden zwei Konzepte für senkrecht startende und landende Raketen getestet: RETALT1 mit zwei Stufen – ähnlich einer Falcon 9 oder Ariane 5 – von der die erste Stufe wieder landen soll und RETALT2 mit nur einer Stufe für kleinere Nutzlasten. Wo die Forschung heute steht und woran das DLR in diesem Bereich arbeitet, erläutert Ingrid Dietlein in ihrem Plenarvortrag zum Thema „Wiederverwendbarkeit von Trägersystemen: Forschungsprogramm im DLR“.
Was braucht die Raumfahrt als Nächstes?
Eine weitere Möglichkeit, die Kosten in der Raumfahrt zu senken, ist die additive Fertigung. Zum Beispiel bei Triebwerksteilen können durch die Technologie Fertigungsschritte eingespart oder mehrere Funktionen in einem Bauteil kombiniert werden. Darüber hinaus ermöglicht sie ganz neue Bauteile, die mit klassischen Fertigungsmethoden nicht denkbar gewesen wären. Zudem wird das Material hier nur dort eingesetzt, wo es tatsächlich gebraucht wird. So sind neben Materialeinsparungen auch immer leichtere Strukturen möglich. Mit diesen vielzähligen Vorteilen etabliert sich die additive Fertigung zunehmend in der Luft- und Raumfahrt.
Insbesondere für den Leichtbau bietet sie ungeahnte Designfreiheiten. Gleichzeitig birgt das Verfahren jedoch auch Herausforderungen, denen sich die Anwendung und Forschung stellen muss. Prof. Dr. Christian Mittelstedt, Fachgebietsleiter Konstruktiver Leichtbau und Bauweisen an der Technischen Universität Darmstadt, beleuchtet in seinem Vortrag beim DLRK dieses Feld aus Sicht der Leichtbauforschung. Er zeigt sowohl Potenziale als auch ungelöste Probleme auf und bietet einen Ausblick auf die praktische Anwendung mit Hilfe neuer Herstellungs- und Analysekonzepte.
Um die additive Fertigung und weitere Technologien geht es auch in der DLRK-Sitzung „Zukunft der Raumfahrt“. Sie beschäftigt sich auf einer allgemeineren Ebene mit den zentralen aktuellen und anstehenden Raumfahrtthemen. In einer interaktiven Vortragsrunde diskutieren Vertreter aus Industrie und Forschung mit dem Publikum, was gerade in der internationalen Raumfahrtlandschaft passiert und wie Deutschland in diesem dynamischen und zunehmend kommerziellen Umfeld aufgestellt ist. Zur Sprache kommen insbesondere die Themen New Space, Big Data, Automatisierung und der Mond als eines der nächsten Ziele in der Raumfahrt. Die Sitzung „Zukunft der Raumfahrt“ soll über die Konferenz hinaus wachsen, um regelmäßig neue Impulse zurück in die deutsche Raumfahrtpolitik zu geben.
Raumfahrt als Helfer im Alltag
Weitere Sitzungen auf dem DLRK zeigen außerdem, wie die Raumfahrt helfen kann, das Leben auf der Erde in den verschiedensten Bereichen zu verbessern. So werden wieder Projekte aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgestellt, wie zum Beispiel das Projekt „SenSituMon“, in dem innovative Methoden und Technologien für das automatisierte großflächige Monitoring von Ãœberflutungsgebieten aus Satellitendaten entwickelt werden. Der Informationsdienst zu Hochwasser und Starkregenereignissen soll bei drohenden und akuten Ãœberschwemmungen bewohnter Gebiete mitteilen, wann das Hochwasser kommt, welche Flächen betroffen sind und wie lange die Gefahr bestehen wird.
Auch das Myotones-Projekt wird beim DLRK vorgestellt. Es analysiert nicht-invasiv die grundlegenden biomechanischen Eigenschaften der Skelettmuskeln mithilfe eines kleinen Geräts. Auf der Internationalen Raumstation ISS testete es die durch fehlende Schwerkraft bewirkten Veränderungen im ruhenden menschlichen Muskel bei den Astronauten. So kann erstmals der Muskelstatus objektiv, schnell und einfach bestimmt werden und der Erfolg von Gegenmaßnahmen bei Muskel- und Knochenschwund in Form von Sportprogrammen besser bewertet werden.
Auf der Erde können die Erkenntnisse zum einen für die Verbesserung von Rehabilitations- und Trainingsprogrammen, zum anderen aber auch für das Bewerten des Trainingserfolgs im Fitness- und Leistungssport genutzt werden. Auf dem Kongress werden die vorläufigen und zum Teil unerwarteten Ergebnisse des Projekts präsentiert. Insgesamt beschäftigen sich zwölf Sitzungen mit den reinen Themen der Raumfahrt. Weitere 24 behandeln Querschnittsthemen zum Beispiel aus der Aerodynamik oder der Fertigung, die sowohl für die Luft- als auch für die Raumfahrt relevant sind.