Mit dem Start von Sputnik 1 begann 1957 die praktische Raumfahrt und damit nicht nur ein Kapitel des menschlichen Fortschritts, sondern leider auch die der Vermüllung der Erdumlaufbahnen. Heute stellt der starke Anstieg der Trümmerteile durch zunehmende Starts, Explosionen von alten Satelliten und Oberstufen im All ein ernstes Problem dar.
Allein die Teile über zehn Zentimeter Größe umfassen circa 18.800 Objekte. Vom 22. bis zum 24. Januar 2019 lädt daher die Europäische Weltraumorganisation ESA nach Darmstadt zur Weltraumsicherheitskonferenz. Eines der prominenten Themen: Der wachsende Weltraummüll und die Beobachtung der Trümmerteile. Die Deutsche Gesellschaft für Luft– und Raumfahrt (DGLR) rät deshalb zu einem nachhaltigeren Umgang mit dem Weltraum.
Was tun mit Schrott im Weltraum?
Funktionsunfähige Satelliten sollten nach Ende des operationellen Betriebs aus der Umlaufbahn entfernt werden, ehe sie auseinanderfallen oder mit anderen kollidieren. Die Raumfahrtagenturen und -nationen sind zwar sehr an der Lösung des Problems interessiert, doch die Bewältigung des gegenwärtigen Mülls übersteigt die Kapazität eines einzelnen Akteurs. Daher wird die internationale Zusammenarbeit beim Thema Weltraummüll unerlässlich sein.
„Betreiben wir weiter Raumfahrt wie bisher, könnte dies für die ferne Zukunft bedeuten, dass katastrophale Kollisionen zum dominierenden Effekt bei der Entstehung von Trümmern werden. Bereits jetzt müssen wir damit rechnen, dass es auf den für uns sehr wichtigen Erdbeobachtungsumlaufbahnen zu einer solchen Instabilität kommen kann“, erklärt Dr. Carsten Wiedemann, Leiter des DGLR-Fachausschusses „Weltraummüll – Erfassung und Analyse“. Die Anzahl der Trümmer und Kollisionen ist auf den niedrigen Erdumlaufbahnen am höchsten. Insbesondere die Bahnhöhen zwischen 800 und 900 Kilometern weisen die höchste Trümmerdichte auf.
Katastrophale Kollisionen mit Dominoeffekt
Das Risiko durch den Weltraummüll wird durch die hohen Kollisionsgeschwindigkeiten verursacht, die auf niedrigen Erdumlaufbahnen auftreten können. Diese liegen in einer Größenordnung von zehn Kilometern pro Sekunde. Bei so hohen Geschwindigkeiten kann ein wenige Zentimeter großes Objekt einen Satelliten vollständig zerstören. Ab einer Größe von etwa zehn Zentimetern setzt das Objekt bei einem Einschlag so viel kinetische Energie frei, dass es ein Raumfahrzeug vollkommen zertrümmern kann. In diesem Fall spricht man von einer „katastrophalen Kollision“. Die dabei freigesetzten Trümmerstücke können weitere Kollisionen verursachen und stellen dadurch ein besonderes Risiko dar. Es kann zu einem kaskadenartigen Kollisions-Kettenreaktionseffekt kommen, was auch als „Kessler-Syndrom“ bezeichnet wird.
Der zweite Ort mit einer großen Anzahl von Trümmerteilen befindet sich auf der geostationären Umlaufbahn in circa 36.000 Kilometer Höhe über dem Äquator. Hier ist vor allem der Verbleib der immer mehr werdenden Teile ein Problem. Raumfahrzeuge und Trümmerstücke, die auf dieser hohen Umlaufbahn zurückgelassen werden, bleiben dauerhaft in dieser Region und werden nicht durch natürliche Kräfte wie die Luftreibung beeinflusst, die in niedrigeren Orbits zum Absinken der Teile führt.
Wie beim irdischen Müll: Am besten vermeiden
Derzeit deuten alle Simulationsrechnungen darauf hin, dass vor allem in 800 Kilometer Höhe die Trümmerzahl in den nächsten Jahrzehnten ansteigen wird. Einerseits häufen sich die Objekte in diesen Bahnen weiter an, da weiterhin neue Satelliten und Raketen-Oberstufen mit dem Ziel 800-Kilometer-Orbit gestartet werden. Werden diese Raumfahrzeuge am Ende ihres Betriebs nicht zum Wiedereintritt gebracht, können sie für Jahrhunderte auf diesen Umlaufbahnen verbleiben. Andererseits ist damit zu rechnen, dass es zunehmend zu Kollisionen dieser Objekte untereinander kommen wird.
Vor diesem Hintergrund ist die Umsetzung von Weltraummüll-Vermeidungsmaßnahmen (Mitigation) und in einigen Fällen auch von Aufräummaßnahmen (Remediation) sehr wichtig. „Weitere Trümmer darf es schlichtweg nicht mehr geben“, so Holger Krag, DGLR-Mitglied und Leiter des ESA-Büros für Raumfahrtrückstände. Da die häufigste Ursache von Fragmentationen die an Bord befindlichen Energiequellen sind, sind das Ablassen von Treibstoffresten, das Entlasten von Druckbehältern sowie die Entladung von Batterien besonders wichtig.
Kontrollierter Absturz – Was wird mit Megakonstellationen?
Ein weiterer Schritt besteht darin, Masse aus den 800-Kilometer-Bahnen zu entfernen. Aus Sicht der Weltraummüll-Forschung ist es am sinnvollsten, ein kontrolliertes Wiedereintrittsmanöver über einem möglichst dünn besiedelten Gebiet der Erde einzuleiten. Zumindest sollte die Umlaufbahn am Ende der operationellen Lebenszeit so weit abgesenkt werden, dass Raumfahrzeuge spätestens nach 25 Jahren selbstständig in die Atmosphäre eintreten und größtenteils verglühen. Darüber hinaus kann es in Einzelfällen sinnvoll sein, ausgewählte Hochrisikoobjekte durch Bergungsmissionen (Active Debris Removal) aus dem Weltraum zu entfernen. Dazu müssen zunächst Kosten und Risiken abgewogen werden.
Zu den besonderen Herausforderungen zählen in Zukunft die sogenannten Megakonstellationen. Wenn mehrere dieser Konstellationen gleichzeitig im Weltraum betrieben werden, führt dies zu einem drastischen Anstieg der Objektzahlen. „Es ist aber durchaus denkbar, dass bei einer sehr restriktiven Anwendung der bereits bestehenden Regeln zur Vermeidung von Weltraummüll solche Konstellationen stabil betrieben werden können. Solange diese Objekte noch einer Steuerung unterliegen und keiner der Satelliten ausfällt, ist das Problem der Trümmervermehrung theoretisch kontrollierbar“, so Holger Krag.
Kommentarfunktion ist geschlossen.