Forscher des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) haben ein neues Echtzeit-Kamerasystem zur Verkehrsüberwachung auf einem Hubschrauber erfolgreich erprobt. Die hochauflösenden Bilder und Videos werden in wenigen Sekunden an Bord des Hubschraubers verarbeitet und zum Boden übermittelt.
Mit diesen Daten können Verkehrsleitzentralen bei Großereignissen oder Katastrophen den Verkehr situationsbedingt steuern und Hilfskräfte schnell an ihren Einsatzort leiten. Das neue Kamerasystem wurde im DLR-Verkehrsforschungsprojekt VABENE++ erstmals an einem Hubschrauber, dem DLR-Forschungshubschrauber BO 105, angebracht.
Wie schnell strömen Menschenmassen und Autoverkehr?
Das Kamerasystem kann sowohl Fahrzeuge als auch Personen erfassen. Damit ist es möglich, die Dichte von Menschenmengen und die Geschwindigkeit von Personengruppen oder dem Autoverkehr zu beurteilen. Bei Großveranstaltungen oder im Katastrophenfall sind dies wichtige Informationen für die Einsatzkräfte.
Direkt an Bord werden die Bilddaten ausgewertet und georeferenziert, das heißt, sie werden in das Gradnetz einer Karte eingepasst und können sofort in einem Geografischen Informationssystem (GIS) weiterverarbeitet werden. Damit die großen Datenmengen schnell zur Einsatzzentrale gelangen, nutzen die Forscher einen Mikrowellenlink mit einer Übertragungsrate von elf Megabit pro Sekunde.
Algorithmus trainiert Erkennung – Textur und Schatten
Um das Geschehen am Boden in sekundenschnelle zu erfassen, muss das VABENE++-System Fahrzeuge und Menschen automatisch als solche ausmachen. "Fahrzeuge und Menschen haben eine bestimmte Textur auf den Luftbildern. Menschen können wir zum Beispiel als kleine Punkte erfassen, die einen bestimmten Schatten werfen", beschreibt Dominik Rosenbaum, beim DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung als Teilprojektleiter in VABENE++ verantwortlich für die Informationsextraktion aus luftgestützten Bild- und Radardaten. Vor jedem Flug werden genau für den bevorstehenden Einsatz Beispieldatensätze mit den entsprechenden Algorithmen eingelesen, das Bildanalyseprogramm wird "trainiert".
Um die Geschwindigkeit von Fahrzeugen oder Bewegungen in Menschenmengen zu erkennen, stehen die Forscher noch vor einer weiteren Herausforderung: Sie müssen von Bild zu Bild ein Fahrzeug oder eine Person wiedererkennen und gleichzeitig die Bewegung des Hubschraubers herausrechnen. "Das gelingt durch die direkte Georeferenzierung der Bilder. Von einem Bild zum anderen können wir bis zu 90 Prozent der Fahrzeuge und Personen richtig zuordnen und haben damit eine sehr gute Stichprobe um die Geschwindigkeit des Verkehrs oder von Personenströmen zu bestimmen."
Das Kamerasystem ist mit drei handelsüblichen Kameras bestückt. Für Überblickserfassungen arbeiten die Kameras mit 50 mm Objektiven, die ein Blickfeld von bis zu 104 Grad abdecken können. Beim Einsatz von Objektiven mit 100 mm Brennweite werden Auflösungen von bis zu 3,5 Zentimeter pro Bildpunkt bei einer Flughöhe von 500 Metern über Grund erreicht. Eine der Kameras nimmt zusätzlich 4k-Videos (3840 × 2160) auf, ein digitales High-Definition-Video-Format, das der vierfachen HDTV-Auflösung entspricht.
Absorber für Vibrationen des Hubschraubers
Das System ist in einem etwa 90x60x50 Zentimeter großen Gehäuse an der linken Seite des BO 105 angebracht, etwa zehn Zentimeter über den Kufen. Durch vier Absorber, die im Inneren des Gehäuses angebracht sind, wird das Kamerasystem von den Vibrationen des Hubschraubers abgekoppelt. Das Gehäuse kann schnell an der Außenseite des Hubschraubers angebracht werden. "Ein Hubschrauber hat den Vorteil, dass er sehr wendig ist und auch über einem Verkehrsknotenpunkt oder einer Menschenmenge in der Luft stehen kann", beschreibt Rosenbaum.
"Außerdem entwickeln wir damit ein System, das auch auf Polizeihubschraubern zum Einsatz kommen kann." Vorgängermodelle des Kamerasystems haben die Forscher mit den DLR-Forschungsflugzeugen Dornier Do 228-212 und Cessna 208B Grand Caravan erprobt und damit unter anderem das Ausmaß der Überflutungen von Donau, Elbe und Saale im Juni 2013 dokumentiert.
VABENE++ für Monitoring, Risikobewertung und Katastrophen
Im Projekt VABENE++ (Verkehrsmanagement bei Großereignissen und Katastrophen) werden leistungsfähige Unterstützungswerkzeuge für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und Verkehrsbehörden für den Umgang mit Katastrophen und Großveranstaltungen entwickelt.
Das Ziel ist, sowohl die notwendige Rettungslogistik als auch die umliegenden Verkehrsströme selbst unter extremen Bedingungen effizient zu leiten und somit Einsatzkräfte schnell an ihren Einsatzort zu bringen. Wissenschaftler verschiedener DLR-Institute arbeiten in diesem Forschungsprojekt zusammen und werden durch die Flugbetriebe des DLR unterstützt. Des Weiteren beteiligen sich der Lehrstuhl für Methodik der Fernerkundung der TU München und das Institut für Geoinformatik und Fernerkundung der Universität Osnabrück an VABENE++.
Die Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in den Bereichen Simulation und großflächiger Verkehrsmodellierung, luftgestütztes Verkehrsmonitoring, verkehrliche Risikobewertung, Datenfusion/Datenmanagement sowie der Weiterentwicklung von Webtechnologien im GIS-Umfeld.