Das auf den Namen "Albert Einstein" getaufte vierte Automatische Transferfahrzeug der ESA ist bereit für seinen Flug zur Internationalen Raumstation ISS, die es mit wichtiger Fracht versorgen soll. Der Start an Bord der Trägerrakete Ariane-5 ist auf den 05. Juni um 23:52 MESZ von Europas Raumflughafen in Kourou in Französisch-Guayana aus angesetzt.
Mit dem ATV-4 kommt die ESA erneut ihrer Verpflichtung nach, die Raumstation einmal jährlich mit Fracht zu versorgen. Die Mission steht in einer Reihe mit dem im März 2008 gestarteten ATV-1 (Jules Verne), dem ATV-2 (Johannes Kepler, Februar 2011) und dem ATV-3 (Edoardo Amaldi, März 2012). Zurzeit wird das nächste ATV, George Lemaître, auf seinen Start im kommenden Jahr vorbereitet.
Das nach dem für seine Relativitätstheorie weltberühmt gewordenen Physiker benannte Raumfahrzeug wird wichtige Fracht und Treibstoff zur ISS bringen und regelmäßig deren Bahnhöhe anheben.
Bisher schwerstes europäische Raumfahrzeug
Mit einem Gewicht von mehr als 20 Tonnen ist dieser technisch hochkomplexe Raumtransporter das bisher schwerste europäische Raumfahrzeug. Als Frachttransporter, Treibstofftank, Antrieb zur Anhebung der Bahnhöhe und als zusätzlicher Aufenthaltsbereich für die Astronauten erfüllt es gleich vier Funktionen auf einmal.
Der vor wenigen Tagen zu einer Langzeitmission zur ISS gestartete ESA-Astronaut Luca Parmitano wird den Anflug und das Andocken am 15. Juni überwachen und an der Entladung und Verstauung der Frachtgüter beteiligt sein.
Von allen den orbitalen Außenposten versorgenden Raumtransportern verfügt das ATV über die größte Frachtkapazität: Insgesamt 6,6 Tonnen wird das ATV-4 zur ISS bringen, mehr Trockenfracht als alle anderen ATV davor. Im Gepäck sind 2.480 kg an wissenschaftlichem Gerät, Ersatzteilen, Nahrung und Kleidung für die Astronauten. Außerdem werden vom ATV 100 kg Gas, mehr als 570 Liter Trinkwasser und etwa 860 kg Treibstoff in die Tanks der ISS gepumpt.
Als zusätzlicher Stationsantrieb ist das ATV-4 ferner mit 2.580 kg an Eigentreibstoff ausgestattet. Mit seinem Antrieb wirkt es dem durch die Restatmosphäre bedingten Absinken der Station entgegen, das bis zu 100 m Höhenverlust pro Tag ausmachen kann. Es trägt außerdem zur Lageregelung des Stationskomplexes beim Anflug anderer Raumfahrzeuge bei. Im Ernstfall kann es für die ISS auch Manöver zum Ausweichen vor potenziell gefährlichen Weltraumtrümmern ausführen.
Bevor das ATV-4 wieder von der ISS ablegt, wird es mit Müll und von der Bordmannschaft nicht mehr benötigtem Gerät beladen. Anschließend wird es über dem Südpazifik seine Umlaufbahn verlassen und beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gefahrlos verglühen.
ATV als Vorläufer für Orion-Versorgungsmodul der USA
Der Raumtransporter wird vom Augenblick der Abtrennung von der Ariane bis zu seinem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vom ATV-Kontrollzentrum aus gesteuert, das sich auf dem Gelände der französischen Raumfahrtagentur CNES in Toulouse befindet. Von dort aus werden während der Mission die Betriebstätigkeiten aller anderen Bodenstationen, einschließlich der wichtigsten Stationskontrollzentren in Moskau und Houston, koordiniert.
Gebaut wurde das ATV von Astrium, das als Hauptauftragnehmer einem Team von mehr als 30 Unterauftragnehmern in 10 verschiedenen europäischen Ländern vorsteht.
Das ATV-Programm wird auch nach dem Start des letzten serienmäßig gefertigten ATV im nächsten Jahr fortgeführt. Aufbauend auf den mit dem Raumfahrzeug gesammelten Erfahrungen und dessen komplexer Technik wird die ESA weiterentwickelte ATV-Bauteile für das NASA-Fahrzeug Orion zur Verfügung stellen, mit dem Menschen zum Mond und darüber hinaus befördert werden sollen und dessen erster Testflug für 2017 geplant ist.
So wird das auf dem ATV aufbauende Versorgungsmodul von Orion, das sich unmittelbar unterhalb der Mannschaftskapsel befinden wird, Antrieb, Stromversorgung, Temperaturregelung sowie Wasser- und Gaseinspeisung für die Astronauten sicherstellen.
Dieses Gemeinschaftsvorhaben von ESA und NASA steht weiter in dem Geist der internationalen Zusammenarbeit, dem die Verwirklichung der ISS als orbitalem Außenposten der Menschheit zu verdanken ist.