Manchmal landet die Gemeine Miesmuschel (Mytilus edulis) als „Muscheln nach rheinischer Art“ auf dem Teller oder wird in Belgien mit Pommes Frites serviert. Dass sie als Blutspender für Weltraumexperimente zum Einsatz kommen, ist eher selten. Auf der Internationalen Raumstation ISS ist dies jetzt aber der Fall.
Mit dem Experiment Triplelux-B untersuchen die Astronauten mit Muschelzellen, in welchem Ausmaß das Immunsystem in der Schwerelosigkeit nachlässt. Das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) bereitete das Experiment der TU Berlin mit vor und führt es aus dem DLR-Kontrollraum in Köln durch. Dabei hätte ein defekter Rauchsensor auf der ISS beinahe dafür gesorgt, dass das Haltbarkeitsdatum der tiefgefrorenen Muschelzellen abgelaufen wäre.
Muschel-Zellen aus dem Sylter Watt auf die ISS
Dr. Sonja Brungs vom DLR-Institut für Luft– und Raumfahrtmedizin ist im September 2014 durch das Sylter Watt gestapft, um die richtigen Probanden für den Weltraumflug auszuwählen. Die Miesmuscheln dort sind leicht zugänglich und nicht extrem mit Schadstoffen belastet. „Die Muscheln mussten einen Aderlass über sich ergehen lassen und durften dann wieder ins Wasser zurück“, erläutert die Wissenschaftlerin, die das Team der TU Berlin unterstützte. Noch vor Ort wurden aus dem Muschelblut die Fresszellen der Muscheln – die Hämozyten – isoliert und auf ihre Vitalität und ihre Brauchbarkeit für das Experiment im Weltall untersucht. Nur die besten wurden eingefroren und starteten im Januar 2015 zur Internationalen Raumstation ISS.
In der Schwerelosigkeit stellen sie nun ihr Immunsystem unter Beweis und geben den Forschern Aufschluss darüber, in welchem Ausmaß sich die fehlende Schwerkraft auswirkt. Doch zuvor sorgte ein defekter Rauchsensor im Biolab des Forschungsmoduls Columbus mit falschen Messwerten dafür, dass die Muschelzellen ein wenig länger als geplant in ihrem gefrorenen Zustand auf ihren Einsatz warteten. Erst nachdem Astronautin Samantha Cristoforetti (im Bild) den Sensor austauschte, durfte Triplelux-B am Donnerstag, 19. März 2015, starten – rechtzeitig bevor die vorbereiteten Proben in ihrer Qualität nachlassen.
Als erstes wurden die irdischen „Probanden“ aus ihrem Gefrierschrank genommen, damit die Fresszellen im All auftauen konnten. 48 Stunden dauerte es, bis die Sylter Muschelzellen einsatzbereit waren. Dann fügte Astronautin Samantha Cristoforetti den Feind hinzu: Hefezellen sollen die Fresszellen dazu stimulieren, diesen Eindringling wie Bakterien oder andere Fremdpartikel zu vernichten und unschädlich zu machen. Für das Kontrollzentrum des DLR in Köln (Nutzerzentrum für Weltraumexperimente; MUSC) bedeutet Triplelux-B Schichtbetrieb rund um die Uhr – schließlich arbeitet das Team mit Astronautin Samantha Cristoforetti, die das Experiment im All für den Betrieb vorbereitet, Hand in Hand.
Leuchtende Verdauung zeigt Aktivität der Fresszellen
Wie das Immunsystem auf die Eindringlinge reagiert, wird mit dem Farbstoff Luminol messbar gemacht: Fressen (Phagocytose) und verdauen die Muschelzellen den Feind, setzen sie dabei radikale Sauerstoffverbindungen frei – die wiederum auf das Luminol reagieren und zu leuchten beginnen. „Man erkennt also mit den Lichtmessungen, wie viel radikalen Sauerstoff die Zelle produziert und wie aktiv sie also bei der Vernichtung der Hefezellen arbeitet“, erläutert DLR-Wissenschaftlerin Dr. Sonja Brungs.
In den nächsten Tagen werden weitere „Probanden“ von der Insel Sylt im Weltall zentrifugiert und so unter den Bedingungen der irdischen Schwerkraft getestet. Auch auf der Erde in den Laboren des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin müssen Muschelzellen für Vergleichsmessungen gegen Hefezellen kämpfen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse von der Raumstation beispielsweise durch die Reise der Muschelzellen ins All verfälscht wurden. Vor der Durchführung auf der Internationalen Raumstation wurden das Experiment mit den verfressenen Muschelzellen und die dafür notwendige Technik bereits auf Parabelflügen getestet. Und auch die Weltraumstrahlung wird bei Triplelux-B von den Strahlenbiologen des DLR mit Dosimetern untersucht. Die ersten Messungen im Weltall fanden bereits statt und werden derzeit bereits ausgewertet.