Parabelflugzeug A310 ZERO-G absolvierte erste Testkampagne

Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Als am 07. Mai um 12:35 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit der Airbus A310 ZERO-G auf dem Flughafen Bordeaux-Mérignac landete, ging die erste Kampagne mit dem neuen Parabelflugzeug nach drei Flugtagen erfolgreich zu Ende.

Mit dieser ersten gemeinsamen Parabelflug-Kampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und (DLR), der Europäischen ESA und der französischen Raumfahrtagentur , für Experimente unter reiner Schwerelosigkeit wurde das neue Parabelflugzeug A310 ZERO-G eingeweiht.

Damit ist dieser umgebaute „Kanzler-Airbus“ die neue Brücke für Experimente auf ihrem Weg in den . Auch die acht deutschen Forschungsprojekte dieser Kampagne haben das Potenzial, ein Raumstationsexperiment zu werden. Mit dem neuen Parabelflugzeug werden auch in Zukunft fünf bis sechs wissenschaftliche Forschungskampagnen jährlich geflogen.

Mehr Energie für wissenschaftliche Experimente

„Als ich bei meiner Ankunft in Bordeaux das neue Parabelflugzeug sah – außen wie innen leuchtend weiß – war ich schon überzeugt: Das neue Flugzeug wird den Ansprüchen der Wissenschaftler und der Crew standhalten und ein würdiger Nachfolger für den alten Airbus A300 werden. Und die drei erfolgreichen Flugtage haben diese Ahnung bestätigt“, freut sich DLR-Parabelflugprogrammleiterin Dr. Ulrike Friedrich. Denn das Parabelflugzeug bietet gegenüber dem altgedienten Vorgänger einige Vorzüge.

So steht zum Beispiel den Wissenschaftlern für ihre Experimente mehr Energie zur Verfügung als im Vorgänger. Auch grenzt der etwa neun Meter kürzere Rumpf nicht den einhundert Quadratmeter großen Raum ein, der für Experimente innerhalb der Maschine zur Verfügung steht, da die Passagiersitze kompakter angeordnet sind und die technische Konsole zur Steuerung der Experimente durch einen einzigen Laptop ersetzt worden ist. „Die verfügbare elektrische Energie und der Experimentierraum entscheiden darüber, wie viele Experimente wir mit an Bord nehmen können. Wir sind daher sehr zufrieden, dass den Wissenschaftlern nun mehr Energie für Ihre Anlagen zur Verfügung steht“, erklärt Friedrich.

Gute Qualität der Schwerelosigkeit

Doch nicht nur die Programmleiterin war mit dem ersten Einsatz des neuen Flugzeugs zufrieden. „Wir haben drei erfolgreiche Flugtage bestritten. Die Qualität der Schwerelosigkeit während der Parabeln war exzellent. Wir können daher auf gute Ergebnisse hoffen“, blickt Prof. Stefan Schneider von der Deutschen Sporthochschule Köln auf diese Parabelflugkampagne zurück.

Er forscht gemeinsam mit seinem Team zum Thema, wie sich chronischer Stress durch Isolation – wie ihn zum Beispiel Astronauten und Kosmonauten auf der ISS erleben – auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirkt und ob ein individuelles Sport- und Bewegungsprogramm diesem Stress entgegenwirken kann. Sein Parabelflug-Experiment ist eines von vier Experimenten, die das DLR für diese Kampagne ausgewählt hat. Sechs Experimente stammen von der ESA, zwei von .

Forschungsprojekte der ersten Parabelflug-Kampagne

Training der Astronauten im adäquat?

Verlässt ein Astronaut die Erde, reduziert sich mit der Schwerkraft gleichermaßen auch die Belastung, die auf den Körper einwirkt. Unser Körper ist diese Belastung aber gewöhnt. Jede Sekunde auf der Erde arbeiten die Muskeln und Knochen gegen die Schwerkraft an – wir sind sozusagen permanent im Training. Schwerkraft plus zusätzliches Krafttraining mit hohen Belastungen für die Muskulatur sind der beste Weg, unsere Muskel- und Knochenmasse stabil zu halten. Gerade in der Schwerelosigkeit müssen Astronauten deshalb täglich trainieren, um fit zu bleiben.

Doch ist das Krafttraining, das auf der Erde unter den Gesetzen der Schwerkraft entwickelt wurde, auch in der Schwerelosigkeit effektiv? Untersuchungen an den Rückkehrern von der Internationalen Raumstation haben Forschern gezeigt, dass bestimmte Muskelgruppen noch nicht ausreichend trainiert sind. Mit einem eigens entwickelten Diagnosegerät untersucht ein Forscherteam der Deutschen Sporthochschule Köln um Projektleiterin Prof. Kirsten Albracht gemeinsam mit Kollegen aus Berlin, Freiburg und Australien die Kraftgenerierung, die neuronale Ansteuerung sowie das Kontraktionsverhalten der Muskelfaserbündel großer Muskelgruppen der Beine. Ihre Ergebnisse sollen zu effizienteren Trainingsplänen auf der ISS führen und so die Fitness der Astronauten verbessern.

Stress und die kognitive Leistung von Astronauten

Astronauten und Kosmonauten sind durch ihre Isolation auf der Raumstation permanentem Stress ausgesetzt. Wie sich solch chronischer Stress auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirkt und ob ein individuelles Sport- und Bewegungsprogramm diesem entgegenwirken kann, versuchen Prof. Stefan Schneider und sein Team von der Deutschen Sporthochschule Köln zu beantworten.

Während des Parabelfluges absolvieren Testpersonen das virtuelle Andocken eines russischen Raumschiffes an die ISS, das sogenannte Soyuz Docking Manoeuvre Training – ein Standardbaustein im ISS-Trainingsprogramm für Astronauten. Der innovative Ansatz des Projekts besteht darin, nicht nur objektiv sichtbare Leistungsparameter zu erfassen, sondern durch neurophysiologische Messmethoden auch die zugrundeliegenden Veränderungen im Gehirn (Abb. 2) zu verstehen. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Bedeutung von Sport und Bewegung für die mentale Gesundheit, im All wie auf der Erde herauszustellen.

Schlagen von Herz und Aorta in der Schwerelosigkeit

Wie gut unser Körper durchblutet ist und wie gut dadurch einzelne Organe mit Sauerstoff versorgt werden, ist stark vom Zusammenspiel von Herz und Hauptschlagader (Aorta) abhängig. Ein zu hoher Blutdruck in der Aorta kann kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herz- und Schlaganfälle auslösen. Doch wie läuft dieses Zusammenspiel bei Astronauten ab? Beim Wechsel von Schwerkraft zur Schwerelosigkeit verteilt sich das Blut im Körper schlagartig um. Ein großer Teil des Blutes schießt in die obere Körperhälfte. Mit dieser Veränderung muss das Herz-Kreislaufsystem der ISS-Crews fertig werden und passt sich an. Das Zusammenspiel von Herz und Hauptschlagader verändert sich.

Welche Folgen diese Regulation bei Langzeitaufenthalten hat, ist bislang unklar. In Zukunft soll das Experiment „CardioVector“ den zentralen Blutdruck der Astronauten auf der ISS messen. Möglich wird das durch ein neuartiges Verfahren, dass die Form der Pulswelle am Oberarm misst und daraus anhand von mathematischen Modellen den Blutdruck der Aorta errechnet. Seinen ersten Einsatz unter Schwerelosigkeit hat das Instrument, das von Forschern des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln um Dr. Ulrich Limper und der Medizinischen Hochschule um Prof. Jens Tank für den Einsatz auf der Raumstation angepasst wurde, nun während dieser Parabelflugkampagne. Hier wird vor allem auch die Herzleistung während der abrupten Übergänge zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit genau beobachtet (im Titelbild).

Wurzelwachstum in 3D

Wurzeln wachsen in Richtung Schwerkraft. Forscher machen hierfür vor allem eine Umverteilung des Pflanzenhormons Auxin verantwortlich. Das ist kein Geheimnis. Doch warum das eigentlich so ist und wie sich das Hormon nach einem Wechsel von Schwerkraft hin zur Schwerelosigkeit verteilt, ist bisher ein Rätsel geblieben. Projektleiter Prof. Klaus Palme und Dr. Franck Ditengou mit ihrem Team von der Universität Freiburg wollen dieses Geheimnis nun entschlüsseln, indem sie während dieser Parabelflugkampagne das Wachstumsverhalten der Modellpflanze der Genetiker, den Wildtyp der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, dreidimensional erfassen.

Wie reagiert die Zellgeometrie auf den Wechsel zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit? Wie verändert sich das Gewebe insgesamt? Für ihre Beobachtungen haben die Forscher ein neues Wurzelkoordinatensystem entwickelt, dass fortgeschrittene Bildaufnahmeverfahren mit Mustererkennung und -analyse verbindet. Auf diese Weise wollen sie einen Zellatlas erstellen, der eine Reaktion auf den Schwerkraftreiz ableiten lässt.

Wirkmechanismen von Arzneimitteln beim Sturzflug

Die meisten Pharmaka funktionieren in unserem Körper nach einem ganz bestimmten Wirkmechanismus: Ein Bestandteil des Arzneimittels – die sogenannten Liganden – docken an einem Rezeptor einer Membran an, blockieren ihn gegenüber den körpereigenen Botenstoffen – den sogenannten Neurotransmittern – und verändern so die Durchlässigkeit dieser Körperbarriere gegenüber dem Wirkstoff des Arzneimittels. Je besser dieses Wechselspiel zwischen Rezeptor, Membran und Ligand funktioniert, desto durchlässiger ist die Membran und desto effektiver der Wirkstoff.

Veränderungen der Schwerkraft nehmen Einfluss auf den physikalischen Zustand der Membranen. Schwerelosigkeit macht sie fluider. Projektleiter Prof. Wolfgang Hanke und sein Team von der Universität Hohenheim nehmen daher an, dass auch das Wechselspiel zwischen Rezeptor und Ligand von einer Veränderung der Schwerkraftbedingungen betroffen ist. Sie testen an Rezeptoren des Botenstoffs Acetylcholin von Neuroglioma-Zellen, welche Auswirkungen die Schwerelosigkeit aus das Zusammenspiel von Rezeptor, Membran und Ligand hat.

Nanosatelliten im freisetzen

Wir leben in einer Welt der stetigen Miniaturisierung. So werden auch Satelliten zunehmend kleiner und leichter. Seit einigen Jahren werden neben den großen Satelliten, die vor allem für Kommunikations-, Wetter- und Erdbeobachtungsaufgaben eingesetzt werden, sogenannte Nano- und Mikrosatelliten auf ihre Umlaufbahnen gebracht. Eine der technischen Herausforderungen bei diesen 20- bis 150-Kilogramm-Leichtgewichten ist die kontrollierte Trennung von Satellit und Trägerrakete.

Als mechanische Schnittstelle kommen hier sogenannte Separationssysteme zum Einsatz. Sie halten den Satelliten bis zu seinem Aussetzen zuverlässig an der Trägerraketenstruktur fest und „stupsen“ ihn dann zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer exakten Geschwindigkeit ab. Während dieser Parabelflugkampagne testen Projektleiter Dipl.-Ing. Norbert Alexander Pilz und sein Team vom Institut einen speziellen, elektromechanisch auslösenden Auswurfmechanismus für Nanosatelliten (SEMENA-2) in der Schwerelosigkeit.

Sie üben diesen Abwurf mit einem 20 Kilogramm schweren Dummy-Satelliten, der horizontal ausgestoßen und von einem Sicherheitsnetz aufgefangen wird (Abb. 3). Dabei wird der Satellit aus verschiedenen Perspektiven simultan gefilmt, um daraus Rückschlüsse auf die Qualität der Separation sowie der optimalen Auswurfgeschwindigkeit des Satelliten zu ziehen.

Satelliten zum Schwärmen

Mit der fortschreitenden Miniaturisierung von Satelliten können diese auch kostengünstig als Schwarm auf eine Umlaufbahn gebracht werden und sich gemeinsam Aufgaben teilen. Eine wesentliche technische Herausforderung dieser sogenannten Picosatelliten besteht darin, sie gleichzeitig und kollisionsfrei von der Oberstufe einer Rakete freizugeben. Im Projekt TUPEX-5 unter der Leitung von Dipl.-Ing. Frank Baumann wird die gleichzeitige Separation von vier 330 Gramm leichten Picosatelliten untersucht, die zurzeit an der Technischen Universität Berlin entwickelt werden.

Mit Kameras wird beobachtet, wie sich diese winzigen Satelliten unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit voneinander trennen und einschalten. Die verwendeten Dummy-Satelliten erfassen dabei ihre eigenen Beschleunigungen und Drehraten. Anhand der Messwerte und den Videoaufzeichnungen kann der bisherige Entwurf der Picosatelliten überprüft werden. Das Parabelflugexperiment erfolgt in Kooperation mit dem Institut in einem gemeinsamen Testaufbau.

Staubkollisionen und die Planetenentstehung

Staub wird in unserem Alltag fast ausschließlich mit Hausarbeit verbunden und ist daher eher negativ belegt. Doch Staub verdanken wir auch unsere Existenz. Denn Planeten – wie vor knapp 4,6 Milliarden Jahren unsere Erde auch – entstehen in Scheiben aus Gas und Staub, die um junge Sterne kreisen. Diese etwa Mikrometer-großen Teilchen stoßen dabei zusammen. Tun sie das bei geringen Geschwindigkeiten von wenigen Millimetern bis Zentimetern in der Sekunde, besteht die Chance, dass sie aneinander haften bleiben. So entstehen im Laufe der Zeit immer größere Körper.

Erreichen sie wenige Millimeter Durchmesser, dann erhöht sich ihre Geschwindigkeit und sie prallen voneinander ab. Im ersten Teil des Experiments der Technischen Universität Braunschweig versuchen Projektleiter Prof. Jürgen Blum und sein Team zu klären, warum diese auf wenige Millimeter angewachsenen Staubteilchen abprallen und unter welchen Umständen sie haften bleiben. Im zweiten Teil bringen die Forscher Zentimeter-große Teilchen zur Kollision. Sie wollen so untersuchen, wie viele kleine Staubteilchen sich von den großen Teilen ablösen und deren Verhalten in der Schwerelosigkeit mit Hochgeschwindigkeitskameras untersuchen.