Zu den wesentlichen Lärmquellen eines Flugzeugs gehören die Triebwerke und die Landeklappen. Mit einem außergewöhnlichen Versuchsaufbau haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) nun den Lärm, der speziell durch den Triebwerksstrahl an der Flügelklappe entsteht, akustisch messbar gemacht.
Einen Triebwerksstrahl zu simulieren, das geht nur mit einem besonderen Modell, einem sogenannten Triebwerkssimulator (TPS). Rund 40 Kilogramm schwer, mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern und einer Leistung von rund 160 Kilowatt haben die DLR-Wissenschaftler solch einen Simulator, aufwendig verkabelt und verdrahtet, mit Ölpumpe, Computeranschluss und Heizung versorgt, in der Messstrecke des Niedergeschwindigkeitswindkanals Braunschweig (DNW-NWB) getestet.
Mikrophone hören kalten Triebwerkslauf
Mit 10.500 Umdrehungen pro Minute, einer Strahlgeschwindigkeit von 460 Kilometern pro Stunde und einem sichtbaren Kondensstreifen befand sich dieser während der Tests im simulierten Landeanflug. In der Messstrecke wurde direkt hinter dem Triebwerk ein Flugzeugflügel aufgebaut. Eine bunte Signatur auf den Quellkarten zeigte deutlich: Nicht nur das Triebwerk ist laut, auch an der Landeklappe des DLR-Windkanalmodells entsteht Lärm.
Während der Simulator – ein sogenanntes „CRUF“-Triebwerk (Counter-Rotating-Ultra-high-bypass-Fan) – sich mit 21 Bar kalter komprimierter Luft in Bewegung versetzte, verteilte sich das Triebwerksgeräusch mit etwa 60 Dezibel im ansonsten geräuschlosen Windkanal und wurde von mehreren Mikrophonen aufgezeichnet. Mit für den Landeanflug realistischer Geschwindigkeit traf der Triebwerksstrahl auf die ausgefahrene Flügelklappe, die direkt hinter dem CRUF zentral in der Messstrecke aufragte. Sofort stieg die Anzeige um einige Dezibel an – zwar im einstelligen Bereich, doch für das bloße Ohr ist diese Lärmsteigerung deutlich hörbar. Schon bei einem Anstieg auf 63 Dezibel, scheint es im Windkanal doppelt so laut zu sein.
Was Strahlklappen mit dem Lärm machen
„Es ist uns gelungen, die Interaktion von Triebwerk und Flügel akustisch zu vermessen“, erklärt Fabian Lange vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik erfreut. Dass ein solch signifikanter Unterschied festgestellt werden konnte, ist für die Wissenschaftler ein besonderes Ergebnis, das in die weitere Erforschung der Strahlklappeninteraktion fließen wird. „Jetzt können wir aus dem Gesamtlärm von Triebwerk und Flügelhinterkante die Schallquellen filtern und getrennt voneinander untersuchen“, führt Fabian Lange aus.
Möglich wurde dieses Messergebnis durch die besondere Versuchsanordnung: Mit seinem großen Durchmesser und Nebenstromverhältnis ist das „CRUF“-Triebwerk wegweisend für die heutigen immer größeren und immer stärker werdenden Triebwerke moderner Passagierflugzeuge. Solch ein „echtes“ laufendes Triebwerk im Windkanal zu haben – noch dazu in Kombination mit dem Modell eines gepfeilten Flugzeugflügels – eröffnet den Wissenschaftlern nun erstmalig nach Auswertung der Ergebnisse die Möglichkeit, vorherzusagen, wie sich immer größere Triebwerke aerodynamisch und akustisch auswirken, wie also die großen Antriebsmaschinen und Tragflächen künftig effektiver und leiser konfiguriert werden können.
In Zukunft ist geplant, einen akustischen Simulator zu entwickeln, der nicht mehr mit Druckluft, sondern elektrisch betrieben wird. Damit soll dann im Windkanal ein komplettes Halbmodell eines Airbus A320 untersucht werden. Ziel und Vision der Forscher ist es, nicht mehr bloß einzelne Komponenten, sondern das Flugzeug als Ganzes im Windkanal akustisch und aerodynamisch vermessen zu können.
Lärmkarte über dem Versuchsaufbau, ein seltener und besonderer Versuch: Ein CRUF-Triebwerk (Counter-Rotating-Ultra-high bypass-Fan) vor einem Flugzeugflügel, dem DLR-Windkanalmodell, mit ausgefahrenen Landeklappen. Wird der Triebwerkssimulator eingeschaltet, kann die Interaktion von Triebwerk und Flügel akustisch vermessen werden. In der Fotomontage ist farbig dargestellt, wo an Triebwerk und Flügelhinterkante Lärm entsteht.
Versuchsaufbau in der Frontalansicht: Im akustischen Niedergeschwindigkeitswindkanal Braunschweig der Stiftung Deutsch-Niederländischer Windkanäle (DNW-NWB) wurden Triebwerkssimulator und Flügelmodell in der offenen Messstrecke neben einem Mikrofonarray aufgebaut. Unterhalb der Messstrecke und nicht ersichtlich: Der komplexe technische Unterbau. Für das Triebwerk werden nicht nur Zuläufe für Strom und eine Ölpumpe benötigt, auch eine Heizung muss eingebaut werden, um die Eispartikel zu schmelzen, die sich unmittelbar bilden, wenn die kalte komprimierte Luft durch die Turbinenschaufeln gedrückt wird.