Mit LNAS probt das DLR derzeit über der Schweiz ein Assistenzsystem im Cockpit, um Fluglärm durch Verfahren weiter zu reduzieren. Das System zeigt dem Piloten über ein Display im Cockpit an, wann exakt welche Handlung für einen lärmarmen Anflug durchzuführen ist.
Der Anflug und die Landung gehören zu den arbeitsintensivsten Phasen eines Fluges, gleichzeitig ist hier auch der Fluglärm am deutlichsten hörbar. Um die Piloten bei den komplexen Handlungsabläufen für einen möglichst lärmarmen Anflug zu unterstützen, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Pilotenassistenzsystem LNAS (Low Noise Augmentation System) entwickelt. Vom 09. bis 13. September erprobt das DLR LNAS nun in einem gemeinsamen Forschungsvorhaben mit der Swiss SkyLab Foundation und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa das System an Bord des DLR-Forschungsflugzeugs A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) im Anflug auf den Flughafen Zürich.
70 Anflüge aus Norden erforderlich
Für die Flugversuche wurde das Assistenzsystem um ein weiteres Anflugverfahren für optimierte kontinuierliche Sinkflüge (Continuous Descent Approach) erweitert und mit einem neuen hochpräzisen Algorithmus ausgestattet, um so einen möglichst energieoptimierten und lärmarmen Anflug zu ermöglichen.
Das optimierte Anflugverfahren wird anhand von rund 70 Anflügen auf die Piste 14 (Nordanflug, aus Deutschland kommend) getestet. „Wir benötigen diese Anzahl ähnlicher Anflüge, um eine breite Datenbasis zur Funktion von LNAS zu erhalten“, sagt Dr. Fethi Abdelmoula vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik. Die Flüge werden flugmechanisch und aus Sicht von 25 teilnehmenden Airline-Piloten auf ihre Praxistauglichkeit untersucht. Ein DLR-Test-Pilot sitzt als Sicherheitspilot immer mit im Cockpit. Ein Team von Wissenschaftlern begleitet die Flugversuche an Bord und überwacht die Funktionsweise des Systems.
sonAIR: Empa erfasst Gewinn an Ruhe
Mit sieben Lärmmessstationen entlang der Anflugachse zeichnen die Forscher der Empa-Abteilung Akustik/Lärmminderung die Überflüge auf. Während jedes Anflugs wird jeweils die Konfiguration des Testflugzeugs A320 ATRA aufgezeichnet, also die Leistung der Triebwerke, Stellung der Landeklappen, der Bremsklappen und des Fahrwerks. All diese Daten fließen in das an der Empa entwickelte Lärmsimulationsprogramm sonAIR.
Mit Hilfe des Programms kann die Lärmbelastung, die der Flug verursacht, am Computer nachmodelliert und für einzelne Standorte am Boden dargestellt werden. Aus den Simulationsdaten entstehen dann detaillierte Lärmkarten, die die Wirkung des Assistenzsystems LNAS in der Region um den Flughafen dokumentieren und Unterschiede zu herkömmlichen Anflügen genau aufzeigen.
„sonAIR wurde gezielt für die Lärmoptimierung von An- und Abflugverfahren entwickelt“, sagt Jean-Marc Wunderli, Abteilungsleiter Akustik/Lärmminderung an der Empa. „Das gemeinsame Projekt mit dem DLR und SkyLab gibt uns die Möglichkeit, die Lärmbelastungen aus unserer Simulation mit den realen Daten der sieben Messstationen zu vergleichen und die Qualität unserer Berechnung zu überprüfen.“
Anzahl der ‘akustischen Ausreißer‘ reduzieren
„Die sich stetig ändernden Bedingungen wie Wind und Fluggewicht machen das präzise Fliegen vertikaler Profile eines lärmarmen Anflugverfahrens hochkomplex“, sagt DLR-Testpilot Jens Heider, der bei den Flugversuchen im Cockpit des A320 ATRA sitzt. Um möglichst lärmarm landen zu können, ist ein optimaler Energiehaushalt während des Anfluges essentiell. Das Assistenzsystem LNAS zeigt dem Piloten dafür auf einem Display, dem Electronic Flight Bag (EFB), intuitiv und auf einen Blick die optimalen Zeitpunkte für das Setzen der Landeklappen und das möglichst späte Ausfahren des Fahrwerks. „Handelt der Pilot nach diesen Vorgaben, kann der Anflug von der Reiseflughöhe bis hinunter auf die Stabilisierungshöhe von 1.000 Fuß über Grund mit minimaler Geräuschentwicklung und möglichst geringem Treibstoffverbrauch durchgeführt werden“, fasst Abdelmoula die Vorteile zusammen.
„Optimal wäre ein Sinkflug im Leerlauf, wie bei einem Segelflugzeug“, erklärt Martin Gerber, Projektleiter und Initiator der Weiterentwicklung von LNAS. „Mithilfe des Assistenzsystems wollen wir die Anzahl der energetisch suboptimalen Anflüge reduzieren und Piloten die dafür nötigen Informationen auf intuitiv fassbare Weise vermitteln.“ Physikalische Grundprinzipien könne man nicht ändern, die Zahl der akustisch ungünstigen Anflüge lasse sich jedoch mit Sicherheit reduzieren.
Forschungspartner fürs leiser Landen
Im Rahmen eines von der Swiss SkyLab Foundation initiierten dreijährigen Projekts wurde in einem Konsortium zusammen mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Pilotenassistenzsystem LNAS (Low Noise Augmentation System) für den sogenannten Continuous Descent Approach (CDA) weiterentwickelt. Das Projekt wird durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL über die Spezialfinanzierung Luftverkehr (nach Art. 87b BV: Verordnung über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer für Maßnahmen im Luftverkehr zur Begrenzung der Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Umwelt), das Amt für Verkehr der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, das Bundesamt für Umwelt BAFU und durch Eigenmittel der Projektpartner finanziert.
Weitere beteiligte Organisationen sind die Skyguide welche während dieser Woche die Testflüge leitet, der Flughafen Zürich für Unterstützung und Koordination der Anflüge, 25 Piloten von Swiss Airlines, Edelweiss, Condor und Lufthansa welche das neue System erproben, die Schweizer Luftwaffe welche die temporäre Stationierung des Forschungsflugzeuges in Dübendorf ermöglicht und die Swissport welche mit ihrem Service am Boden unterstützt.
SkyLab ist über den Space Hub der Universität Zürich (UZH) mit dem Switzerland Innovation Park Zurich assoziiert. SkyLab hat zusammen mit der UZH die regelmäßigen Schwerelosigkeits-Forschungsflüge ab dem Flugplatz Dübendorf ins Leben gerufen. Die Ergebnisse der ausgewerteten Flugversuche in Zürich werden für das Frühjahr 2020 erwartet. LNAS soll mittelfristig als industrialisierte Lösung in das Flugmanagementsystem von regulären Linienflugzeugen implementiert werden.