Testpiloten des DLR bewerteten beim virtuellen Erstflug im DLR-Flugsimulator AVES (Air Vehicle Simulator) die Flugeigenschaften eines hybrid-elektrischen Kurzstreckenflugzeugs. Im Fokus der Forschung stehen dabei unter anderem neue Flugzeugkonfigurationen, die mit deutlich geringerer Emissions- und Lärmbelastung kommerziell betrieben werden können.
Elektrische oder hybrid-elektrische Antriebe haben das Potenzial für Flugzeugkonfigurationen, die diese Anforderungen erfüllen. Im Verbundprojekt SynergIE haben die Wissenschaftler des DLR in Hamburg, Braunschweig und Göttingen gemeinsam mit den Partnern Airbus, Rolls-Royce und Bauhaus Luftfahrt e.V. das Gesamtsystem eines hybrid-elektrischen Kurzstreckenflugzeugs für bis zu 100 Passagiere mit verteilten Antrieben am Flügel untersucht. Bei dieser Technologie sind die Antriebe über die Spannweite des gesamten Flügels verteilt und führen damit zu einer effizienteren Umströmung. Das Projekt wird vom Bund gefördert.
Elektroantrieb: Vorteile für Aerodynamik
„Bei klassischen Regionalflugzeugen sind die Flügel oft überdimensioniert, um gute Start- und Landeleistungen zu erreichen“, erklärt Dr. Martin Hepperle vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. „Diese Flugzeuge fliegen dann im Reiseflug mit zu hohem Energieverbrauch.“ In hochgenauen Strömungssimulationen zeigte sich, dass elektrische Antriebe eine Verteilung des Schubs auf viele kleinere Propeller ermöglichen. Überströmen diese dann den Tragflügel, sorgen sie für einen erhöhten Auftrieb und eine effizientere Aerodynamik. Durch diesen Effekt konnten die Projektpartner die Flügelfläche und die Flügelmasse reduzieren und den Widerstand durch die Interaktion der Propellerstrahlen mit den Randwirbeln des Flügels verringern.
Als finalen Entwurf für ein Flugzeug mit verteilten hybrid-elektrischen Antrieben haben die Forscherinnen und Forscher aus unterschiedlichen Anordnungen ein Konzept mit Turbogeneratoren im Rumpf und zehn Elektromotoren entlang der Flügelvorderkante als beste Lösung gewählt und bewertet. Durch die optimale Auslegung und Installation der Propeller ist eine Verringerung der Flügeltiefe und der Seitenleitwerksgröße und damit eine Senkung des Energieverbrauchs um etwa zehn Prozent möglich.
„Durch die spezielle Anordnung der Propeller konnten wir die Gewichtsnachteile des hybrid-elektrischen Antriebssystems kompensieren“, sagt Hepperle. „Auch das Seitenleitwerk konnten wir bei unserem mehrmotorigen Konzept kleiner und damit leichter und widerstandsärmer auslegen“, so Hepperle weiter. „Dieses Konzept kann sogar den Ausfall von zwei Elektromotoren kompensieren, bietet also auch eine höhere Betriebssicherheit.“ Flugeigenschaften auf dem Prüfstand
Giersteuerung mit Regler
Insbesondere im Landeanflug zeigte sich, dass die aerodynamische Interaktion von Propellernachlauf und Flügel die Flugeigenschaften des Flugzeugs stark beeinflusst. Um die geringere Wirksamkeit des kleineren Seitenleitwerks und -ruders auszugleichen, entwickelte ein Forschungsteam des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik einen Flugsteuerungsregler, der die Giersteuerung – die Steuerung um die Vertikalachse – mittels Seitenruder und differentiellem Schub ermöglicht.
In SynergIE haben die Projektbeteiligen eine durchgängige „Software-Simulations-Tool-Kette“ für zukünftige Flugzeugentwürfe mit verteilten hybrid-elektrischen Antrieben im DLR entwickelt und etabliert, um die Gesamtbewertungsfähigkeit der deutschen Forschung und Industrie auszubauen. Die disziplinübergreifenden Arbeitsinhalte umfassen die integrierte Aerodynamik von Flügel und Propeller in enger Wechselwirkung mit flugmechanischen Fragestellungen zur Steuerung sowie Randbedingungen der Struktur und der Aeroelastik. In Zukunft sollen noch offene Fragen zur Aeroakustik der verteilten Propeller und zu optimalen Klappensystemen im Landeanflug geklärt werden.