Schaut man frontal auf ein Flugzeugtriebwerk, fallen die großen Blätter des Hauptrotors auf. Beim Luftverkehr sind sie eine der größten Lärmquellen. Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) ist es in Versuchen nun weltweit erstmals gelungen, mittels geschickt eingeblasener Druckluft den Lärm des Rotors deutlich zu senken.
Sie entwickelten dafür ein Verfahren, das über mehrere mit Löchern versehene Ringe hinter dem Rotor Luft einbläst und so, passend zum störenden Rotorton, Antischall bzw. Gegenschall erzeugt.
Lautstärke um 10 dB gesenkt
„Mit dem Druckluftverfahren ist es uns gelungen, die Lautstärke des besonders störenden Rotor-Stator-Tons für kritische Abstrahlwinkel aus dem Triebwerk um bis zu zehn Dezibel zu senken. In der menschlichen Wahrnehmung entspricht das etwa einer Halbierung der Lautstärke“, sagt Prof. Dr. Lars Enghardt vom DLR-Instituts für Antriebstechnik. „Am Triebwerkseinlass entsteht der mit Abstand störendste Ton dort, wo sich der Hauptrotor mit hoher Geschwindigkeit vor einer fest installierten, weiteren Schaufelreihe, dem sogenannten Stator, dreht“, so Enghardt weiter.
Die Versuche fanden beim DLR in Köln im Versuchsverdichter UHBR (Ultra High Bypass Ratio)-Rig (Bild 6) des Instituts für Antriebstechnik statt (im Bild 3 ein Mikrofonarray in der Luftberuhigungskammer). „Im Prüfstand haben wir das Druckluftverfahren an einem realistischen Modell eines Teiltriebwerks getestet, das unter normalen Landeanflugbedingungen mit niedrigen Drehzahlen betrieben wurde“, beschreibt DLR-Forscher Dr. Eberhard Nicke das Experiment. Der Raum, der wie ein Windkanal anmutet, ist 16 Meter lang und hat einen Durchmesser von acht Metern. Der große Ansaugbereich dient der Entwirbelung der einströmenden Luft (letztes Bild).
Für die Messung der Lautstärke installierten die Wissenschaftler im Teststand ein Gerüst mit Mikrofonen vor dem Triebwerksmodell. Schrittweise bewegten sie die Mikrofone an jede mögliche Position vor dem Einlass. „Besonders wichtig war es, den Gegenschall so zu regeln, dass der lärmende Ton nicht nur in einer Richtung, sondern ringsum in allen Abstrahlrichtungen leiser wird; und das ist uns gelungen“, freut sich Enghardt, der in Berlin die Abteilung Triebwerksakustik leitet. Das Egebnis des Schallsignals ist in Titelbild deutlich erkennbar (rechter Kreis mit Antischall).
Antischall macht es ringsum leiser
Die aktive Lärmminderung wird seit längerem als innovative Technologie für leisere Triebwerke verfolgt. „Bei der aktiven Lärmminderung werden Gegenschallquellen zum Unterdrücken der primären Lärmquellen eingesetzt. Für die Anwendung dieses Prinzips nutzte man zunächst Lautsprecher zum Erzeugen eines Gegenschallfelds“, erklärt Enghardt. „In einem Triebwerk, beispielsweise im Einlauf, müsste ein System aus vielen Lautsprechern allerdings extrem robust, langlebig und zuverlässig sein. Überdies bringt die Verwendung von leistungsfähigen Magneten und Verstärkern eine erhebliche Gewichtszunahme des Triebwerks mit entsprechend negativen Auswirkungen auf dessen Effizienz mit sich“.
Die Akustiker des DLR-Instituts für Antriebstechnik entwarfen deshalb das neuartige Verfahren zur aktiven Minderung von Triebwerkstönen mittels Druckluft. Durch die eingeblasene Luft (blaue Leitungen in Bild 5, Markierung auf Bild 4) werden Wechselkräfte auf den Leitschaufeln hinter dem Hauptrotor angeregt, die bei genau eingestellter Luftzufuhr den aktiven Gegenschall erzeugen. Der Projektpartner Airbus Group Innovations entwickelte auf dem Prinzip aufbauend ein computergesteuertes Regelungssystem, das automatisch sowohl die optimalen Umfangspositionen als auch die Einblasmassenströme beider Ringe einstellt.
Einfache Integration in bestehende Triebwerke
Der Vorteil des neuen Systems liegt neben dem geringen Gewicht bei der im Vergleich zu Lautsprechern einfacheren Integration in heutige Triebwerke. Moderne Flugzeugturbinen besitzen bereits ein für viele Zwecke verwendetes Druckluftsystem, welches für akustische Anwendungen entsprechend erweitert und adaptiert werden kann. Bereits 2012 hatten erste DLR-Versuche mit der neuen Drucklufttechnik gezeigt, dass es auf diesem Wege prinzipiell möglich ist, passenden Gegenschall zu erzeugen. Das Experiment wurde zusammen mit den beiden Industriepartnern Rolls-Royce Deutschland und Airbus Group Innovations im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Luftfahrtforschungsprogramms IV durchgeführt.
Interdisziplinäre Fluglärmforschung
Das DLR setzt sich als Deutschlands maßgebliche Luftfahrtforschungseinrichtung intensiv und vielschichtig mit der Problematik Fluglärm auseinander und ist dabei ein gefragter Ansprechpartner bei Industrie, Politik, Verwaltung, Betroffenen und Umweltverbänden. Die Erforschung des Fluglärms und neuer Möglichkeiten des aktiven Schallschutzes stellen ein ausgesprochen interdisziplinäres Feld dar, das Kompetenzen in verschiedenen Bereichen wie Physik, Ingenieurswissenschaften, Medizin, Psychologie und Verkehrswissenschaften erfordert.
Bereits heute ist das DLR federführend in der Fluglärmforschung, denn es ist in allen relevanten Wissenschaftsdisziplinen aktiv und bringt diese interdisziplinär zusammen. 2014 etablierte das DLR eigens einen Fachausschuss Fluglärm, um die Forschungsaktivitäten in diesem Bereich weiter zu intensivieren, stärker zu verzahnen und offene Fragestellungen anzugehen.