Von Insekten lernen – Wanderheutschreken im Windkanal

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Insekten vollbringen wahre fliegerische Meisterleistungen: Heuschrecken legen große Strecken zurück, Motten schweben über Blumen, da kann ma als Aerodynamiker nur staunen. Darum haben Forscher des Deutschen Zentrums für – und (DLR) zusammen mit der Universität Oxford und der Messtechnik-Firma LaVision den von Heuschrecken und Motten in einem Windkanal in untersucht. Modernste Messtechnik machte die Luftströmung hinter den Tieren in bislang unerreichter dreidimensionaler Auflösung sichtbar. Die Erkenntnisse bringen Ingenieure dem Bau von Mikro-Flugzeugen näher, die eines Tages ähnlich wie Insekten sollen..

Die Untersuchungen fanden im 1-Meter-Windkanal des DLR statt. "Das DLR und LaVision verfügen über eine Spitzenstellung in optischer Messtechnik und wir bringen außergewöhnliche Untersuchungsobjekte mit", erklärt Dr. Richard Bomphrey von der Abteilung Zoologie der Universität Oxford die deutsch-englische Zusammenarbeit. Oxford zählt zu den führenden Forschungseinrichtungen für die Untersuchung von Insekten.

Die Natur hat das Miniaturproblem schon gelöst

Um winzige Flugmaschinen zu konstruieren, können existierende nicht einfach immer weiter verkleinert werden. Diese verwenden getrennte Vorrichtungen für Antrieb und Auftrieb, nämlich Triebwerke und Flügel – was Platz kostet. "Die Natur hat das Problem gelöst, wie Miniatur-Flugmaschinen gebaut sein müssen", so Bomphrey: mit schlagenden Flügeln, die Antrieb und Auftrieb vereinen. Um das Vorbild der Natur nachzuahmen, ist zunächst ein viel detaillierteres Verständnis der unterschiedlichen Funktionsweisen von Insektenflügeln nötig. Heuschrecken können große Entfernungen bei geringem Energieverbrauch bewältigen, Hummeln sind exzellente Lastenträger und können so viel Pollen transportieren wie sie selbst wiegen, Motten wiederum weisen eine erstaunliche Manövrierfähigkeit auf und können über Blumen schweben, um Nektar aufzunehmen.

Wichtig für das Verständnis der Flugleistungen ist das genaue Berechnen der Geschwindigkeiten in der Luftströmung hinter den Flügeln der Insekten. Dazu wurden die Tiere so in einem Windkanal platziert, dass sie ein möglichst natürliches Flugverhalten zeigen. Dabei half den Forschern ein Reflex: Sobald Heuschrecken keinen Boden unter den Füßen haben und von vorne angepustet werden, starten sie zum . Die Heuschrecken und die Motten wurden mit einem kleinen Tropfen Kleber auf einen Stab geklebt und mit elf beziehungsweise sieben Stundenkilometern angeblasen. Der Kleber ließ sich nach den Versuchen ohne Schaden für die Tiere wieder lösen.

Dreidimensionale Darstellung

"Dann haben wir in die kleinste Teilchen eingebracht, die der Strömung exakt folgen. Die Bewegung der Teilchen kann dann durch pulsierendes Laserlicht sichtbar gemacht werden", sagt Dr. Andreas Schröder vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. Diese Messtechnik heißt Particle Image Velocimetry und wurde in Göttingen entwickelt. Ein fünf Zentimeter hoher und 22 Zentimeter langer Bereich hinter der Heuschrecke wurde von modernster Messtechnologie durchleuchtet: 23 Sekunden lang nahmen acht Hochleistungskameras 230 Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln auf.

"Die Auflösung dabei betrug 100 Mikrometer, das sind 0,1 Millimeter", beschreibt Dr. Dirk Michaelis von LaVision. Das Besondere dabei: Im Computer entsteht so eine dreidimensionale Darstellung der Strömungsgeschwindigkeiten hinter den Insekten. Dadurch wird eine Rekonstruktion des gesamten Flugvorgangs vom Heben und Senken der Flügel bis zur Rückkehr in die Ausgangsstellung möglich. "Das ist das erste Mal erfolgt und liefert uns wichtige, bisher nicht mögliche Aussagen über das Flugverhalten von Insekten", so Bomphrey.

Mini- für Katastrophen-Einsätze

Wenn aus den Forschungen irgendwann winzige, insektenähnliche Flugmaschinen hervorgehen sollten, hätten diese viele Vorzüge. Beispielsweise könnten sie in der Industrie für die Überwachung von Pipelines eingesetzt werden und automatisch nach Lecks suchen. Auch bei Katastrophen könnten solche Flugmaschinen zum Einsatz kommen. Bomphrey: "Solche Geräte hätten nach dem Reaktorunglück in Fukushima ohne Gefahr für Menschen in das Innere der Reaktoren vordringen können." Weitere Anwendungsmöglichkeiten könnten ungewöhnliche Kameraaufnahmen von Fußballspielen oder die flächendeckende Erfassung von Wetterdaten sein. Bis zu einem weitverbreitetem Einsatz solcher künstlichen Insekten werden nach Ansicht der Forscher allerdings noch rund 20 Jahre vergehen.