Das Original des Kometenlanders "Philae" fliegt bereits seit dem 02. März 2004 durchs Weltall und wartet im Schlafmodus auf seine Ankunft am Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Derweil müssen die "Philae"-Modelle am Boden gerade einiges aushalten: Sie werden noch im Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt bis zur Belastungsgrenze getestet und geprüft. Die Wissenschaftler und Ingenieure wollen sich so auf die erstmalige Landung auf einem Kometen im November 2014 vorbereitet.
In Bremen setzt ein originalgetreues Lander-Modell deshalb immer wieder auf dem Boden auf: mal in weichem Sand, mal auf hartem Grund, denn die Oberflächenbeschaffenheit des Kometen kennt noch niemand. In Köln wird eine "Philae"-Kopie mit Kommandos angefunkt und in Betrieb gesetzt. "Auf Probleme, die wir jetzt bei Landung und Betrieb mit den Modellen simulieren, sind wir bei der richtigen Landung dann gut vorbereitet", sagt Dr. Stephan Ulamec, DLR-Projektleiter für den Kometenlander, der an Bord der europäischen Raumsonde Rosetta unterwegs ist.
Es ist die Landung auf einem unbekannten Objekt: Über den genauen Landeplatz werden die Wissenschaftler und Ingenieure erst nach der Ankunft der Rosetta-Sonde mit Hilfe der ersten Kamerabilder entscheiden. Aber auch die exakte Anziehungskraft des Himmelskörpers kennen die Wissenschaftler neben der Beschaffenheit des Bodens nicht. "Der Komet könnte eine harte Eiskruste haben, es könnte aber auch lockerer, pulveriger Boden sein", betont Lars Witte, verantwortlich für die Tests mit einem der "Philae"-Modelle am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen.
Belastungsgrenzen des Landers erproben
Immer wieder hat das dreibeinige Modell in Originalgröße am Roboterarm der "Landing and Mobility Test Facility" (LAMA) die Landung auf dem Boden mit bis zu 1,10 Meter pro Sekunde überstehen müssen. Mal im senkrechten Anflug, mal mit geneigtem Aufsetzen. Mal in drei mit Sand gefüllten Töpfen, mal auf einer robusten Platte.
Selbst eine mit einem Ölfilm beschichtete Stahlplatte haben die Wissenschaftler eingesetzt, um zu testen, wie der Lander reagiert, wenn er nur geringe Bodenhaftung hat. Immer wieder haben sich während dieser Tests die Eisschrauben in den Füßen des Landers herausgedreht, die "Philae" Halt auf dem Kometen geben sollen. "Wir testen letztendlich auch die Grenzen des Landers aus", sagt Witte. Dessen filigrane Struktur sieht zerbrechlicher aus, als sie ist.
Harpunen zur Verankerung – Komet bereits aktiv?
Bei der Landung fängt ein Dämpfer die Kräfte ab, die auf "Philae" wirken. Sobald der kühlschrankgroße Lander mit zehn Instrumenten an Bord aufsetzt, schießen zwei Harpunen in den Kometenboden und verankern "Philae" auf dem Kometen. Statt der 100 Kilogramm Gewicht auf der Erde wird der Lander auf dem Kometen nur ein Gewicht entsprechend einem Blatt Papier haben.
Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass der Komet in Sonnennähe bereits aktiv ist und sich der charakteristische Schweif aus Eis- und Staubpartikeln bildet. Keine leichte Aufgabe für das "Philae"-Team, den Lander sicher auf den Himmelskörper zu bringen. "Die Landung wird automatisch geschehen, denn ein Steuerungskommando von der Erde zum Lander würde aufgrund der großen Entfernung etwa eine halbe Stunde benötigen", betont DLR-Projektleiter Stephan Ulamec. Wenn die entscheidende Phase beginnt, müssen die Wissenschaftler darauf vertrauen, dass die Software an Bord perfekt funktioniert.
Auf Probleme und Pannen vorbereitet
Im Kölner Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) muss deshalb ein weiteres "Philae"-Modell zeigen, dass es auch mit Problemen und Pannen zurechtkommt. Kabel, Verbindungen und Bauteile entsprechen originalgetreu dem Innenleben von "Philae", der bereits seit zehn Jahren durch das Weltall fliegt. Allerdings: Nicht immer sind die Bauteile dort, wo sie am eigentlichen Lander sitzen.
In einem Schubkasten liegen die Fußsohlen, neben der Außenhülle die Harpunen, die sich in den Boden bohren sollen. "Für uns ist wichtig, dass die Verbindungen der einzelnen Bauteile wie beim Original sind – der Aufbau ist für die Tests zweitrangig", erläutert Dr. Koen Geurts, technischer Projektleiter für "Philae". Wenn die Raumsonde Rosetta mit "Philae" an Bord am Kometen angelangt ist, wird der Betrieb des Landers von einem Team im Kontrollraum des MUSC gesteuert.
Landeprozedur wird erst am Kometen hochgeladen
Über mehrere Computer steuern zwei Ingenieure das Landermodell an. "Wir können alles simulieren, was dem Flugmodell geschehen könnte", sagt Geurts. "Und auch Dinge, die wir eher nicht erleben wollen." Wie soll "Philae" reagieren, wenn einzelne Subsysteme während des Abstiegs durch einen Kurzschluss ausfallen? Was sind die ersten Abläufe nach einer erfolgreichen Landung? Die Ingenieure proben die Widrigkeiten, die die Software dann autonom, also ohne Unterstützung von der Erde aus, lösen soll. Kurz vor der Ankunft am Ziel wird die endgültige Prozedur zu "Philae" ins All gesendet.
Einmal auf Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko gelandet, beginnt dann unverzüglich die Arbeit für "Philae". Bis zu mehrere Monate sollen die zehn Instrumente dann Daten für die Wissenschaftler liefern. Für drei Instrumente trägt das DLR die Hauptverantwortung: Die Kamera ROLIS wird bereits während der Landephase Aufnahmen von der Kometenoberfläche machen. Die Instrumente SESAME und MUPUS sollen den Kometenkern untersuchen, die Oberflächentemperatur messen und die Festigkeit des Kometen erforschen. "Die erste Landung überhaupt auf einem Kometen ist eine sehr schwierige Mission", sagt DLR-Projektleiter Stephan Ulamec. "Aber auch eine extrem spannende."