Fünf Jahre sollte er sich im All beweisen und einzigartige Aufnahmen von der Erde liefern. Nun ist der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X doppelt so lange im Einsatz und ein Ende noch auf Jahre nicht in Sicht.
Dabei gibt es auch noch viel zu tun. Seit dem Bilderbuchstart am 15. Juni 2007 vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur ist die Mission TerraSAR-X des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein beständiger auf Erfolg. „TerraSAR-X steht seit zehn Jahren für herausragende Forschungs- und Entwicklungsleistungen und Satellitenbetrieb auf höchstem Niveau. Bis heute setzt diese Satellitenmission Standards in Genauigkeit und Bildauflösung.
Formation ermöglicht neue Dimension der Vermessung
Dank seiner weltweit einzigartigen Radartechnologie hat TerraSAR-X eine neue Ära in der Fernerkundung eröffnet und den Weg für die ebenso erfolgreiche Nachfolgemission TanDEM-X bereitet. Ich freue mich, dass beide Satelliten bis heute vollständig funktions- und leistungsfähig sind“, betont Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR.
TerraSAR-X und sein 2010 gestarteter Zwilling TanDEM-X fliegen seit 2010 im engen Formationsflug. Gemeinsam erstellen sie hochaufgelöste dreidimensionale Bilder der Erdoberfläche. Das spezielle Missionskonzept von TanDEM-X, mit der bistatischen Radarinterferometrie im Weltall, ist bis heute ein Alleinstellungsmerkmal und wurde am DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme entwickelt.
Aber mit TerraSAR-X und ihrer Nachfolgemission TanDEM-X wurde auch auch industriepolitisch Neuland betreten, TerraSAR-X war das erste Raumfahrtprojekt, das als eine Public Private Partnership – kurz PPP – zwischen dem DLR und der Raumfahrtindustrie abgeschlossen wurde. Initiiert vom Raumfahrtmanagement im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Big Data für die Erdbeobachtung
303.714 Aufnahmen hat der Satellit bereits geliefert. Die Daten werden über ein weltweites Netzwerk von Bodenstationen empfangen und von den Experten des DLR-Earth Observation Center (EOC) verarbeitet und ausgewertet. Bereits die ersten Analysen dokumentieren unbestreitbare Details des Klimawandels, unter anderem den Rückzug von Gletschern weltweit. Rund 1.000 Wissenschaftler aus mehr als 50 Ländern nutzen heute den Datenschatz für ihre Forschungsarbeiten – und die Nachfrage steigt. Für die Umwelt- und Klimaforschung sind die globalen Radaraufnahmen von besonderem Wert. Den langfristigen Zugang sichert das DLR im Deutschen Satellitendatenarchiv in Oberpfaffenhofen.
So hat das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum bisher mehr als 1,85 Millionen Kommandos an TerraSAR-X gesendet und mit weiteren 1,4 Millionen Kommandos den ihn umkreisenden Satelliten TanDEM-X gesteuert. Eine besondere Herausforderung, ob in der Entwicklung oder im Betrieb, war und ist der „Doppelhelix-Tanz“ der beiden Radarsatelliten.
Die engste Formation zwischen TerraSAR-X und TanDEM-X wurde 120 Meter senkrecht zur Flugrichtung geflogen – bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 7,6 Kilometer pro Sekunde. Die herausragenden Leistungen und Erfolge beruhen dabei nicht zuletzt auf der engen interdisizplinären Zusammenarbeit im DLR. In Oberpfaffenhofen haben knapp 100 Mitarbeiter aus vier DLR-Instituten ihre Kompetenzen verknüpft, so dass sie seit nunmehr zehn Jahren die gesamte Prozesskette der Mission TerraSAR-X und TanDEM-X beherrschen.
Die Zukunft
Die außergewöhnliche Lebensdauer des Satelliten ist dem sorgfältigen Betrieb und der robusten Bauweise zu verdanken. Erst rund die Hälfte des Treibstoffvorrats ist verbraucht und der Leistungsstand der Batterien liegt bei etwa 72 Prozent, so dass die Experten auf weitere fünf Jahre mit TerraSAR-X hoffen. Auch Zwillingssatellit TanDEM-X zeigt keine Anzeichen von Müdigkeit, so dass bis zum Herbst 2017 weitere hochaufgelöste Höhenbilder erstellt und der globale Datensatz ergänzt werden. Der Fokus liegt auf Gebieten, die starke Veränderungsprozesse aufweisen und dadurch von besonderem wissenschaftlichem Interesse sind. Dazu zählen die Küstengebiete der Antarktis, Grönland und Permafrostgebiete und die Amazonas-Regenwaldgebiete.
„Die neuen Aufnahmen dienen zugleich auch zur Demonstration und Vorbereitung von Tandem-L: Mit Tandem-L haben die Wissenschaftler des DLR eine neue Satellitenmission konzipiert, die den Wandel der Erde beobachtet – zehn Jahre lang, im Wochentakt, hochgenau und in 3D. Für Wissenschaft und Politik wären solche Daten von unschätzbarem Wert“, erläutert Prof. Dr. Hansjörg Dittus, Mitglied des DLR-Vorstandes für Raumfahrtforschung und Technologie.
In Hinblick auf Ausmaß und Auswirkungen von Klimaänderungen etwa könnte Tandem-L wichtige und bis heute fehlende Informationen bereitstellen – für verbesserte wissenschaftliche Prognosen und darauf aufbauend gesellschaftspolitische Handlungsempfehlungen. Das Konzept baut auf den Erfahrungen und herausragenden Erfolgen der Missionen TerraSAR-X und TanDEM-X auf. Erhält der Missionsvorschlag „grünes Licht“, wird Tandem-L die Radarfernerkundung 2022 in die nächste Ära der Technologien und Anwendungen überführen.
Mit der X-Band SAR Linie hat sich Deutschland über Jahrzehnte eine weltweit anerkannte Expertise und Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Um diese Führungsrolle auch zukünftig sicherzustellen, wird im DLR-Raumfahrtmanagement an der Fortführung der X-Band-Linie gearbeitet. Die Zukunft liegt in einer noch höheren Auflösung bei gleichzeitig größerer Streifenbreite. Hiermit sollen die wissenschaftlichen, hoheitlichen und kommerziellen Bedarfsträger kontinuierlich mit Daten versorgt werden.
Über die Mission
TerraSAR-X wurde im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie realisiert. Es ist der erste deutsche Satellit, der im Rahmen einer so genannten Public Private Partnership (PPP) zwischen dem DLR und der Airbus Defence and Space GmbH (vormals Astrium) realisiert wurde: Die Nutzung von TerraSAR-X-Daten für wissenschaftliche Zwecke liegt in der Zuständigkeit des DLR, das auch die Konzeption und Durchführung der Mission sowie die Satellitensteuerung übernimmt. Die Airbus Defence and Space GmbH beteiligte sich an den Kosten für Entwicklung, Bau und Einsatz des Satelliten. Die Infoterra GmbH, eine eigens zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft der ehemaligen Astrium GmbH, übernahm die kommerzielle Vermarktung der Daten.
Auf den Bildern
Das erste TerraSAR-X-Bild – Russland westlich von Wolgograd: Das erste TerraSAR-X-Bild, welches das Verarbeitungssystem des DLR lieferte, zeigt eine Region in der südrussischen Steppe etwa 500 Kilometer nordöstlich des schwarzen Meeres und circa 50 Kilometer westlich von Wolgograd.
Reykjavík im Spotlight – Isländische Hauptstadt Reykjavík: Die TerraSAR-X Aufnahme zeigt eine Detailansicht der Küstenstadt. Mit dem „Staring Spotlight“-Modus blickt der Satellit auf das etwa 6km x 3km große Stadtgebiet und seine besonderen Strukturen. So ist beispielsweise im oberen Bildbereich der Hafen zu erkennen oder inmitten der Stadt der große Tjörnin See, an dessen Nordufer sich das Rathaus befindet. Auch das Wahrzeichen von Reykjavík , die Hallgrímskirche, tritt rechts des Sees im Stadtbild hervor.
Berüchtigte Vulkane – Vulkangebiet an der Südküste Islands: Das TerraSAR-X-Bild stammt vom 25. November 2014, wenige Wochen nach dem Ausbruch des Gletschervulkans Bardarbunga (Markierung 2). Die Spuren der Vulkanaktivitäten sind deutlich zu erkennen – ein großflächiges Lavafeld unterhalb des Zentralvulkans Askja (Markierung 3). Ein weiterer „berüchtigter“ Gletschervulkan befindet sich weiter westlich an der Küste (Markierung 1): Der Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2010 und seine darauffolgende Aschewolke brachte den Flugverkehr über Europa tagelang zum Erliegen. Die Radaraufnahme erfasst die Südküste Islands auf etwa 260 km x 210 km. Dazu wurde der „Wide ScanSAR“-Modus genutzt. Es ist der neueste der insgesamt fünf Aufnahmemodi von TerraSAR-X und ermöglicht die Abbildung extrem großer Gebiete.
Feststellung von Gletscherbewegungen: Anhand der TerraSAR-X-Daten lassen sich Gletscherbewegungen genau ermitteln. Rot umrandet sind Seen unter dem Eis.
TerraSAR-X Satellitenbild von Las Vegas (USA). TerraSAR-X liefert eine einzigartige geometrische Genauigkeit. Mit sechs Bildmodi werde eine Auflösung von 25 cm bis 40 Meter erreicht. Sogar die Wärmeausdehnung von Gebäuden lässt sich damit erfassen. Das ist etwa für Bauprojekte, deren Überwachung und Sicherheit interessant.