airberlin hat Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet, und die Bundesregierung – nicht ungeschickt vor der Bundestagswahl – gewährt einen Überbrückungskredit. Aus allen Richtungen sind – meist positive – Reaktionen auf das Vorgehen zu hören. Doch Interessengruppen und -Vertreter melden sich zu Wort, wie es nun weitergehen soll. IGL und insbesondere die für die Kabinenarbeitsplätze zuständige Mitgliedsgewerkschaft UFO sind unmittelbar in die kommende Entwicklung der Arbeitsplätze der airberlin-Angestellten eingebunden. Für die Gewerkschaften steht naturgemäß die Sicherung der Arbeitsplätze im Vordergrund. IGL begrüßte die ad-hoc-Maßnahmen der Bundesregierung, um ein sofortiges Grounding der airberlin zu verhindern.
Unter vorbehaltloser Einbeziehung der Sozialpartner, sollte mit allen Stakeholdern nachhaltige Lösungen für den Fortbestand der airberlin und die Sicherung der Arbeitsplätze gefunden werden, hieß es von der Industriegewerkschaft Luftverkehr (IGL), auf dem Weg zu kurzfristig einberufenen Krisengesprächen.
IGL: Keine Filetierung!
Kurzfristige Lösungen werden unterstützt, allerdings nur, wenn es sich um die Sicherung aller Bereiche, auch der Bodenarbeitsplätze, der Beteiligungen und z.B. der Technik handelt. Die Mitarbeiter aller betroffenen Airlines, sowohl im Eurowings-Verbund als auch bei airberlin seien hochgradig verunsichert. Widersprüchliche Meldungen über die geplatzte Schlichtung zwischen Eurowings und UFO und deren Folgen, vor allem aber sehr unterschiedliche Ansagen bezüglich des Erhalts der Arbeitsplätze der airberlin-Angestellten seien mehr als unbefriedigend, so IGL. Zuletzt wurde von Konzernchef Carsten Spohr in einer Mitarbeiterversammlung angekündigt, dass er sich persönlich für eine faire Lösung für alle Betroffenengruppen einsetzen würde.
An einer Filetierung oder einem Komplettausverkauf der Bedingungen werde man sich als IGL nicht beteiligen. Beim deutschen Branchenprimus Lufthansa sieht man auch die Verantwortung, bei der Konsolidierung des Luftverkehrs in Deutschland eine aktive Rolle zu spielen, so die Tarifverantwortlichen der UFO bei airberlin.
Es ist nun auch die Aufgabe der Politik und Sozialpartner, den Standort Deutschland und Europa zu stärken und so einen Abwärtstrend der Arbeitsbedingungen nicht nur im Sinne der Mitarbeiter der airberlin zu verhindern. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Fluggesellschaften im Falle einer wirtschaftlichen Schieflage reflexartig Verzicht von ihren Mitarbeitern fordern.
Zumeist sind jedoch herbe Einschnitte für die Beschäftigten nicht ausreichend, um strukturelle Schwächen und fehlende Stärke einer Airline auszugleichen. Dies gilt insbesondere auch für airberlin, deren Zick-Zack-Kurs zur jetzigen Misere geführt hat.
IGL richtet Worte an Mitglieder
In einer Mitteilung an ihre Mitglieder führte IGL die Eckpunkte des Themas der airberlin-Insolvenz weiter aus. Neben den berechtigten Sorgen der Gäste beschäftigt vor allem was dies für Kollegen an Bord und am Boden bedeutet. Ebenso sei die Eurowings-Schlichtung unter Klaus Wowereit gescheitert. Die Gründe, aus denen mit der EW-Geschäftsleitung keine Lösung erarbeitet werden konnte, lägen auf der Hand: Der LH-Konzern kann durch die Insolvenz der airberlin an billige Flugzeuge kommen und muss weder Personal, noch dessen Tarifverträge übernehmen. Dabei gäbe es jetzt alle Möglichkeiten für einen geordneten Übergang von den Teilen der airberlin in die Eurowings, an denen der LH-Konzern interessiert ist.
Davon würde auch Eurowings als Marke profitieren: Mit einem sozialverträglichen Vorgehen gäbe es die Chance zu beweisen, dass eine starke Marke mit ordentlichen Sozialstandards im hart umkämpften Markt bestehen will und kann – damit Wettbewerber wie Ryanair zu Recht außen vor blieben.
Die Schmuddelecke, in der sich Eurowings befindet, muss verlassen werden. Nicht zuletzt wegen der Arbeitsbedingungen in Palma de Mallorca, bei Eurowings Europe in Österreich und wegen ihrem Umgang mit den Mitarbeitern der deutschen Betriebe (Germanwings und Eurowings Düsseldorf) und denen der Sun Express – hat sie ihr Abseits selbst zu verantworten. Eine starke Zweitmarke im Lufthansa-Konzern kann mit solchen Spielchen auf Dauer nicht bestehen und werde von IGL nicht akzeptiert und schon gar nicht weiter begleitet.
Die Gesamtperspektive aller Kolleginnen und Kollegen, die heute schon für Eurowings fliegen, ist durch die sich überschlagenden Ereignisse extrem unsicher geworden. Um für alles Denkbare gewappnet zu sein, werde man in den Betrieben, die für Eurowings fliegen, in den kommenden Tagen zur Urabstimmung aufrufen, um über den weiteren Weg zu entscheiden.
Der Staatskredit
Das Vorgehen der Politik war aus IGL-Sicht richtig. Durch schnelles Handeln konnte für airberlin und ihre Mitarbeiter wertvolle Zeit gewonnen werden. Diese muss genutzt werden, um sozial verantwortungsvoll die Zukunft der Mitarbeiter zu gestalten. In erster Linie sind dabei die Airlines und ihre Tochterbetriebe gefragt, die bereits Interesse an Teilen der Air Berlin angemeldet haben.
Es kommt jetzt darauf an, dass alle handelnden Sozialpartner in Deutschland an einem Strang ziehen und unter Einbeziehung der Politik dafür sorgen, dass Arbeitsplätze zu vernünftigen Bedingungen für die betroffenen Menschen erhalten bleiben.
Völlig egal müsse dabei sein, wer bei welcher Gewerkschaft ist und in welchem Bereich der Eurowings-„Steckerleiste“ arbeitet. Die Gefahr, dass Mitarbeitergruppen gegeneinander ausgespielt werden und einzelne Eurowings-Betriebe in den Abwärtswettbewerb gegeneinander gebracht werden, sei nun keine Fiktion mehr, sondern harte Realität.
Sozial vor Rechtsgrundlage
Wir sind im engen Austausch mit anderen vertretenen Gewerkschaften und der Politik. Das Bild, das derzeit von der Bundesregierung gezeichnet wird, in welchem sich gemeinsam mit den Sozialpartnern um die Menschen gekümmert wird, muss von allen Stakeholdern getragen werden. Bei den beteiligten Mitarbeitern und Gewerkschaften ist dieses Ziel deutlich sichtbar. Die Regierung könne und müsse dabei von den beteiligten Unternehmen verlangen, dass hier nicht nach Rechtslage entschieden, sondern sozial agiert werde.
Mit dieser neuen Situation sind laut IGL flächendeckende Arbeitskämpfe zu erwarten. Dies ist nicht nur sehr bedauerlich, sondern auch unerwartet. Man hatte bei den Arbeitnehmervertretern zuletzt den Eindruck gewonnen, dass es in der Beruhigung des LH-Konzerns und in der Konsolidierung des Luftverkehrs ein Mindestmaß an Einsicht gibt, dass Umwälzungen nicht gegen die Mitarbeiter durchgeführt werden können. Von dieser Hoffnung habe mann sich verabschiedet. Nun sieht man Lösungen vor, die zwar für die Mitarbeiter, aber gegen die Unternehmensleitungen durchgesetzt werden müssten.
Vereinigung Cockpit: Der Markt ist da
Die Nachricht der airberlin-Insolvenz war auch für die Vereinigung Cockpit (VC) und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fluggesellschaft ein Schock. Die VC begrüßt den Brückenkredit der Bundesregierung, der die Fortführung des Flugbetriebs vorerst sicherstellt. Es müsse jetzt das Ziel aller Beteiligten, also auch der Zulieferer sein, den Flugbetrieb wieder in geordnete Bahnen zu überführen. Auch steht die VC der Geschäftsführung jederzeit zu Gesprächen über die Zukunft der Arbeitsplätze zur Verfügung. Der Luftverkehr in Deutschland wächst kontinuierlich. Damit seien alle Voraussetzungen gegeben, diese deutschen Arbeitsplätze zu erhalten, erläutert Ilja Schulz, Präsident der Vereinigung Cockpit.
Die VC sieht die Hauptursache in falschen strategischen Weichenstellungen und Managemententscheidungen, die bereits viele Jahre zurückliegen. Da könne man schon mal die Frage stellen, wer davon profitiert hat, wenn z.B. Leasinggeber an überteuerten Verträgen mit airberlin viel Geld verdienten, während das Unternehmen riesige Verluste anhäuft.
Etihad entzieht sich der Verantwortung
Auch Etihad als Hauptinvestor, dem es primär um seine eigenen strategischen Interessen und der Anbindung an den europäischen Markt ging, hat seit Jahren Fehlentscheidungen getroffen, die nun auch noch dazu führten, einen geregelten Übergang auf neue Investoren zu verschließen. Etihad lässt die airberlin damit fallen wie eine heiße Kartoffel, obwohl neue Investoren Interesse signalisiert hätten.
Hier zeigten die Investoren vom Golf ihr wahres Gesicht, so Schulz. Dass Sozialstandards in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht existierten sei nicht neu. Etihad ist aber auch bei seiner Beteiligung an airberlin nur am eigenen Vorteil interessiert und lasse die Mitarbeiter nun im Regen stehen. Als geradezu „schizophren“ bezeichnete Schulz dagegen das Ansinnen der Billigairline Ryanair, kartellrechtlich gegen Übernahmepläne der airberlin durch Lufthansa vorgehen zu wollen. Ryanair profitiert häufig von subventionierten und daher billigeren Regionalairports, jetzt rufe sie nach dem Staat.
Flughäfen erfreut über Weiterbetrieb
Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH begrüßt, dass airberlin den Flugbetrieb trotz des Insolvenzantrags vollumfänglich aufrechterhalten wird. Wichtig sei jetzt, dass die von airberlin bereits eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen erfolgreich fortgeführt werden. Dabei ist von großem Vorteil, dass die Gespräche u.A. mit Lufthansa und einem weiteren Partner offenbar schon weit fortgeschritten sind und die Bundesregierung die Finanzierung bis auf weiteres sicherstellt.
Der Berliner Flughafenstandort hat ein großes Interesse daran, dass der Flugbetrieb so stabil wie möglich fortgesetzt und zügig eine langfristige Lösung erreicht wird. Wichtig ist in dieser Situation, dass die Fluggäste weiter verlässlich abgefertigt und befördert werden. Dabei leistet die FBB airberlin jede erforderliche Unterstützung. Der Marktanteil der airberlin-Passagiere (inkl. Niki) in Berlin im Zeitraum Januar bis Juli 2017 beträgt 5,52 Mio. Passagiere und damit 28,2 Prozent.
Da mit einem Übergangskredit der Bundesregierung der Flugbetrieb planmäßig fortgesetzt werden kann und alle Flüge der Fluggesellschaft airberlin weiterhin stattfinden, behalten gebuchte Tickets weiter ihre Gültigkeit. Urlauber im In- und Ausland können ihre Rückflüge in die Heimat wie geplant antreten. Am Düsseldorfer Airport, der sich auch in dieser Situation ungeachtet der derzeitigen Diskussionen sehr erfolgreich am Standort der Airline entwickelt fliegt die Airline etwa 30 Prozent ihres Geschäfts.
BDF und BDL begrüßen Unterstützung
Auch der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften e.V. (BDF) begrüßt die Unterstützung der Bundesregierung für die Restrukturierungsbemühungen zur langfristigen Fortsetzung des Flugbetriebs. Mit der Unterstützung der Bundesregierung würden dem Unternehmen und vor allem seinen rund 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Perspektive für die Zukunft ermöglicht.
BDL-Präsident Dr. Stefan Schulte begrüßte nach dem Insolvenzantrag ebenfals sehr, dass die Bundesregierung den Prozess der Sanierung von airberlin in dieser schwierigen Phase mit Übergangskrediten aktiv mitgestaltet. Das sei eine gute Entscheidung für den Luftfahrtstandort Deutschland, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Kunden.
Der BDL bedauert, dass der Anteilseigner Etihad seine Zusage, die Zahlungsfähigkeit von airberlin bis Herbst 2018 zu garantieren, nicht länger aufrechthielt. Umso wichtiger sei es nun, dass mit den entsprechenden politischen Weichenstellungen die Basis für einen zukünftigen Erfolg zu legen. In den vergangenen Monaten und Jahren seien schon wichtige Schritte für die Zukunftssicherung von airberlin gemacht worden.
Das wichtigste Signal sei, dass die Kunden der Airline nicht befürchten müssen, auf ihren gebuchten Flugtickets sitzenzubleiben. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft sei für den deutschen Luftverkehr ein wichtiger Pfeiler. Die Marke „Air Berlin“ stehe nicht nur für gute Verbindungen nach Europa und in die Welt, sondern repräsentiere auch unsere Hauptstadt.