Mark Watney ist „Der Marsianer“ im gleichnamigen Film, der in einer nicht allzu fernen Zukunft sein Leben auf dem Roten Planeten zu retten versucht. Eine wesentliche Rolle spielen dabei topographische und geographische Karten, die ihm die Orientierung ermöglichen.
Im Film muss er den monatelangen Weg zum Krater Schiaparelli zu finden, in dem die rettende Rakete Ares 4 steht. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) – „im Hier und Jetzt“ auf die hochpräzise topographische Kartierung des Mars spezialisiert – rekonstruierten die Route mit Stereobilddaten ihrer Marskamera HRSC und berechneten ein Video, das die spektakuläre Landschaft so zeigt, wie sie Mark Watney „in der Zukunft“ sehen würde.
In der oben beschriebenen Szene ist es Mark Watney gerade gelungen, mit einem Funkgerät der 1997 auf dem Mars gelandeten Sonde Pathfinder mit der Bodenstation auf der Erde zu kommunizieren. Möglich war ihm das Auffinden der gerade einmal schuhkartongroßen Sonde mithilfe von präzisen geographischen Koordinaten. Diese bilden seit jeher Grundlage allen wissenschaftlichen Arbeitens zum Thema Mars. Das DLR-Institut für Planetenforschung berechnet seit bald zwölf Jahren aus Bilddaten des Kamerasystems HRSC auf der ESA-Raumsonde Mars Express digitale Geländemodelle der Marsoberfläche. Auf dem Gebiet der Planetenvermessung und -kartierung ist das Berliner DLR-Institut weltweit führend.
Aufwändig berechnete reale Marswelt
Die Geschichte des Marsianers beginnt in einer Tiefebene am nördlichen Wendekreis des Planeten, führt zunächst einige hundert Kilometer an die südöstliche Grenze von Chryse Planitia und schließlich durch ein enges Ausflusstal ins Marshochland Richtung Südosten durch das Gebiet Arabia Terra. Dort versucht Watney mit seinen begrenzten Ressourcen in einem Wettlauf gegen die Zeit die von der NASA im Krater Schiaparelli „geparkte“ Ares 4-Rakete zu erreichen, um mit ihr den Mars zu verlassen. Ein großer Teil des geschilderten Gebiets, etwa zweieinhalb Millionen hochpräzise topographisch kartierte Quadratkilometer, wurde von den DLR-Wissenschaftlern erst vor kurzem als Teil eines globalen Mars-Kartierprojekts vorgestellt.
Aus diesem Datensatz erstellte das DLR eine Überflugsequenz zum Film „Der Marsianer“ (Kinostart: 08. Oktober). Diese wurde aus rund 7.300 Stereobildern erzeugt. Aufgrund der detaillierten Geländedaten und der enormen Ausdehnung des dargestellten Gebiets betrug die durchschnittliche Rechenzeit pro Bild dabei etwa eine halbe Stunde, so dass insgesamt fast fünf Monate reine Rechenzeit erforderlich waren. Durch Verteilen der Rechenlast auf mehrere Computer konnte diese Zeit beträchtlich reduziert werden. Insgesamt nahm die Produktion des circa fünfminütigen Videos (hier sogar in 3D) inklusive Datenaufbereitung, Schnitt und Vertonung zweieinhalb Monate in Anspruch. Das gesamte Datenaufkommen betrug etwa zwei Terabyte.
Mars-Datensatz in Qualität einzigartig
Für Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung, der „Principal Investigator“ des Kameraexperiments HRSC, ist die Produktion des Überflugsvideos alles andere als eine fachfremde Spielerei für ein nicht-wissenschaftliches Filmprojekt: „Der Mars fasziniert, er macht uns immer neugieriger! Ganz viele Menschen interessieren sich für unsere Forschung, und vor allem junge Menschen wollen wissen, wie es da oben wirklich aussieht, und wie realistisch es ist, dass wir Menschen dort oben einmal unsere Spuren hinterlassen könnten.
Die Daten unserer Kamera zeigen den Mars in einer Anschaulichkeit und Detailtreue von oben, wie kaum ein anderes Experiment, nur die Bilder von der Oberfläche, von Rovern wie Curiosity, sind noch näher an der Realität dran – aber die zeigen wiederum nur einen kleinen Ausschnitt. Auch uns sind durch diese Animation wieder ein paar Details aufgefallen, die wir vorher im räumlichen Kontext noch nicht gesehen hatten. Deshalb haben wir diesen Film berechnet: Damit kann sich jeder ein Bild machen, wie es wäre, wenn Mark Watney wirklich durch diese Gebiete fahren müsste – lediglich bei den Wolken waren wir etwas kreativ, denn die sind – zum Glück – in den HRSC-Daten nicht enthalten.“
Protagonist wählt topographisch einzig logische Route
Die Originalvorlage bedient sich an allen Stellen der Watneyschen Odyssee am Wissen der bisher real stattgefundenen Wissenschaftsmissionen über den Mars: Einen sicheren Landesplatz in der Chryse-Ebene hatte die NASA schon 1976 für die Sonde Viking 1 ausgesucht; Mars Pathfinders Landeplatz wurde wegen der nahe gelegenen Mündungen der Täler Ares und Tiu als Ziel gewählt. Und der beste Weg zur rettenden Ares 4-Rakete im Krater Schiaparelli führte zwar unendlich mühsam, aber vollkommen logisch, durch das Mawrth-Tal.
Dieses Tal steht wegen seiner wasserhaltigen Tonminerale an seinen Rändern besonders im Fokus der aktuellen Marsforschung. Sandstürme treten auf dem Mars häufig auf und sind in „Der Marsianer“ sehr realistisch dargestellt. Und den Weg in den Krater Schiaparelli, würde er nur über eine Rampe im Nordwestrand des Kraters schaffen – das wusste Mark Watney anhand seiner 3D-Modelle im Bordcomputer seines improvisierten Mars-Fahrzeugs.
Bilderstrecke
Abb. 1: NASA-Astronaut Mark Watney ist „Der Marsianer“ im gleichnamigen Kinofilm.
Abb. 2: Der schwierige Weg von Mark Watney durch das Marshochland. Über 3.000 Kilometer lang ist die Route, die sich der „Marsianer“ Mark Watney vornehmen muss, um eine Chance auf seine Rettung zu haben – dazu musste er seine Marsstation in der Schwemmebene Chryse Planitia verlassen und durch das Tal Mawrth Vallis (rechts der Bildmitte) in das Marshochland vordringen, um schließlich am Ende eines hindernisreichen Wegs in den Krater Schiaparelli zu gelangen, wo die Ares 4-Rakete steht, mit der die Rettung möglich sein könnte.
Aus hochgenauen digitalen Geländemodellen der Region Arabia Terra leiteten DLR-Wissenschaftler realistische, perspektivische Ansichten der Gebiete ab, durch die Mark Watneys Odyssee führte. Die Übergangszone vom Mars-Tiefland in das Hochland ist geprägt von Erosions- und Verwitterungsprozessen, die eine stark zerklüftete Landschaft hinterließen. Mawrth Vallis ist eines der Ziele in engerer Wahl für das Landemodul der ESA-Mission ExoMars. (Video-Still)
Abb. 3: Der Weg des „Marsianers“: Von Chryse Planitia über Arabia Terra durchs Marshochland zu Ares 4. Im Rahmen des HRSC-Experiments auf der ESA-Mission Mars Express haben Wissenschaftler des DLR-Instituts für Planetenforschung die Übergangszone zwischen dem Äquator und dem nördlichen Wendekreis topographisch kartiert. Auf der Karte, die das Kartenblatt MC11 Ost enthält, wurde die Route eingezeichnet, die der „Marsianer“ Mark Watney auf dem Mars zurücklegt.
Bevor er sich von seinem Standpunkt in Chryse Planitia auf den Weg zur Ersatzrakete Ares 4 im Krater Schiaparelli aufmachen konnte, musste Watney allerdings erst ein intaktes Funkgerät organisieren, das er an der mehrere hundert Kilometer weiter südlich gelegenen Landestelle des ersten Marsrovers Soujourner der 1997 gelandeten Marsmission Pathfinder abmontieren konnte. Anschließend führte ihn sein Weg zur Mündung des Mawrth-Tals, das er talaufwärts entlangfuhr und dadurch etwa 2000 Meter an Höhe gewann. Anschließend fuhr Watney weitere 2500 Meter bergan durch das zerklüftete und von Kratern übersäte Meridiani Planum bis an den Rand des 450 Kilometer großen Kraters Schiaparelli, an dessen nordwestlichem Rand ein Bergrutsch die natürliche Rampe bildete, über die Watney in den fast 700 Meter tiefer gelegenen Krater zur Ares 4-Rakete gelangte.
Abb. 4: Die letzte Hürde für Mark Watney – der Rand des Kraters Schiaparelli. Der Krater Schiaparelli hat einen Durchmesser von 460 Kilometern und befindet sich im Hochland von Arabia Terra. Das Bild zeigt eine topographische Karte vom nordwestlichen Kraterrand von Schiaparelli, mit einem etwa 25 Kilometer großen, namenlosen Krater im aufgeworfenen Kraterrand; Norden ist in dieser Darstellung rechts. Das Terrain ist stellenweise steil und deshalb für Mark Watney, den „Marsianer“ im gleichnamigen Kinofilm und sein fragiles Fahrzeug, sehr gefährlich, weshalb er sich anhand der topographischen Daten eine möglichst wenig geneigte Route suchen musste: Diese fand er westlich (oberhalb) des Kraters in Form einer Art Geländerampe, die sich bei einem Erdrutsch im Kraterrand gebildet hatte, vermutlich als Folge des Einschlags, der den kleinen Krater erzeugte.
Auf dieser Rampe konnte er die Fahrt zum knapp tausend Meter tiefer gelegenen Boden von Schiaparelli wagen – und die letzten hundert Kilometer zur Ares 4-Rakete bewältigen. Benannt ist der Krater nach dem italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli (1835-1910), der mit seinen Marsbeobachtungen mit dem Teleskop in den Jahren 1877 und 1879 die ersten guten Karten des Planeten erstellte.
Fotos: Titelbild 2015 Twentieth Century Fox, sonst ESA/DLR/FU Berlin – CC BY-SA 3.0 IGO