15 Jahre Forschung bei 8 km/s: Im Weltraumlabor ISS

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Schwebende Wassertropfen, ein kanadischer , der seine Version von David Bowies "Major Tom" singt, Weltraumspaziergänge durch die Schwerelosigkeit oder wunderschöne Ausblicke aus der Cupola auf die Erde – die Bilder, die von der Internationalen Raumstation ISS die Erde erreichen, sind immer ein Hingucker. Das sah vor 15 Jahren noch anders aus.

Damals, am 20. November 1998, startete das erste Bauteil für die ISS ins All. Die himmlische Baustelle nahm ihren Anfang mit dem russischen Modul Zarya, einem Fracht- und Kontrollmodul. Heute leben und arbeiten sechs Astronauten an 365 Tagen im Jahr in dem schwebenden Forschungslabor. Mit an Bord sind auch viele Experimente, die die Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für – und (DLR) betreuen oder Förderung vom DLR-Raumfahrtmanagement erhalten.

Mir-Nachfolger wurde erstes Puzzleteil der ISS

Das größte künstliche Objekt im Erdorbit, das mittlerweile den Abmessungen eines Fußballfeldes entspricht, hat klein angefangen: Gerade einmal 12,60 Meter lang, mit einen Durchmesser von 4,10 Meter und einem Gewicht von 19.323 Kilogramm war das Modul Zarya, das eigentlich für die Nachfolgestation der russischen MIR verwendet werden sollte.

Doch mit der Entscheidung für eine internationale Raumstation wurde aus Zarya das erste Puzzleteil für die ISS, die gemeinsam von USA, , Japan, und der europäischen ESA aufgebaut werden sollte. Bereits kurze Zeit später, am 04. Dezember 1998, folgte der Verbindungsknoten Unity – nunmehr bestand die ISS zumindest schon aus zwei Bauteilen.

Erstes auf der Raumstation kam aus Deutschland

"Damit war natürlich noch keine Bemannbarkeit gegeben", erinnert sich Dr. Peter Preu, Leiter der Abteilung "Forschung unter Weltraumbedingungen" im DLR-Raumfahrtmanagement. Die erste Wohngemeinschaft der ISS zog jedoch schon knapp zwei Jahre später, am 02. November 2000, in die Raumstation ein. Die Forschung in rund 400 Kilometern Höhe über dem Boden, bei ca. 28.000 km/h bzw. bei knapp 8 Kilometer pro Sekunde, in permanenter Schwerelosigkeit, konnte beginnen. "Und Deutschland war von Anfang an dabei", betont Preu. Prof.

Gregor Morfill vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische hatte bereits zuvor mit der Förderung des DLR-Raumfahrtmanagements seine Forschung zu flüssigen und kristallinen Plasmen durchgeführt – jetzt wurde sein zum ersten naturwissenschaftlichen auf der frisch in Betrieb genommenen internationalen Raumstation.

"Wir waren im Kontrollzentrum und hatten Videokontakt. Die Spannung war groß – ich hatte den Eindruck, dass der ganze Raum knisterte", sagt Morfill. Der Wissenschaftler erinnert sich noch ganz genau an den Moment, als sein Experiment zum ersten Mal durchgeführt wurde. "Als die ersten Daten auf dem Bildschirm erschienen und einigermaßen so aussahen, wie wir gedacht hatten, haben wir alle spontan gejubelt."

Forschung in Schwerelosigkeit zum Nutzen der Medizin

Statt Sekunden oder Minuten der Schwerelosigkeit ermöglichte es das Forschungslabor im All, dass das Verhalten der Plasmasysteme rund 90 Minuten ohne die störende Schwerkraft durchgeführt werden konnten. Das ist gleichzeitig auch die Zeit, in der die Raumstation einmal die Erde vollständig umkreist. Die Astronauten standen dabei kontinuierlich in Kontakt mit den Wissenschaftlern am Boden. "Wenn eine überraschende Entdeckung kommt – und das passiert praktisch bei jedem Experiment, weil alles Neuland ist – dann werden die Astronauten oft gebeten, die Experimente komplett per Hand, also ganz wie im Labor auf der Erde, durchzuführen."

Auf dem Boden folgen dann die Analyse und die wissenschaftliche Auswertung. Die Arbeit mit "kaltem Plasma" führte gleichzeitig dazu, dass auch die Anwendung in der Medizin beispielsweise zur Desinfektion erforscht wurde. "Die im Weltraum gelernte Technologie, wie man mit kalten Plasmen arbeitet, war die Grundlage für den Transfer in die Hygiene und Medizin."

Schrittweiser Aufbau bis zur vollen Experimentierfähigkeit

Seit Beginn wurden über 60 deutsche Experimente mit unterschiedlichen Laufzeiten durchgeführt. Dazu gehören biologische Experimente zur Strahlenbelastung, Experimente zur Entstehung des Lebens, aus der Medizin zum Herz-Kreislaufsystem, aber auch der oder auch der Materialphysik. "Die Experimente benötigen vor allem eine entsprechende Vorbereitung am Boden oder auch erste Tests zum Beispiel auf Parabelflügen", betont Dr. Peter Preu vom DLR-Raumfahrtmanagement. "Der Sprung vom Erdlabor in die Raumstation ist sehr groß."

Mittlerweile ist die Raumstation vom einzelnen Modul zum verzweigten Forschungslabor angewachsen: Dem Frachtmodul Zarya und dem Verbindungsknoten Unity folgten Wohn- und Labormodule, Roboterarme wurden installiert, 2008 kam das europäische Forschungsmodul Columbus hinzu. Über 90 russische Raumfahrzeuge kamen zur Raumstation, 37 mal dockten amerikanische Space Shuttle an der ISS an, Transportraumfahrzeuge wie die "Dragon"-Raumkapsel des Privatunternehmens SpaceX und "Cygnus" von Orbital Sciences, aber auch das vollautomatische europäische ATV (Automated Transfer Vehicle) versorgen die Mannschaft in der ISS mit Lebensmitteln, Ausrüstung, Sauerstoff oder auch Treibstoff.

"Mit der internationalen Raumstation ISS haben tausende von Ingenieuren und Wissenschaftlern, Astronauten und Kosmonauten dem Streben der Menschheit nach Wissen, dem Drang die Neugier zu besiegen ein neues Denkmal gesetzt," betont Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR. "Mit dem Andocken des europäischen Columbus-Moduls begann im Jahr 2008 der Prozess der intensiven wissenschaftlichen Nutzung der ISS. In den kommenden Jahren, mindestens bis 2020, werden wir eine der modernsten wissenschaftlichen Anlagen im Erdorbit betreiben und die Schwerelosigkeit als Arbeitsumgebung intensiv nutzen können", erklärt Wörner weiter.