Das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) Göttingen hat am Donnerstag einen der weltweit leistungsstärksten Prüfstände für Flugzeug– und Kraftwerksturbinen in Betrieb genommen.
Die insgesamt 15,6 Millionen Euro teure Anlage „Next-Generation Turbine (NG-Turb)“ wurde von DLR-Luftfahrtvorstand Prof. Rolf Henke und Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil symbolisch gestartet.
Vom Business Jet bis A380
„Der neue Turbinenprüfstand wird zu den international leistungsstärksten Testeinrichtungen für Flugzeugturbinen zählen“, sagte Henke. „Damit baut das DLR Göttingen seine Stellung als europaweit bedeutender Standort in der Turbinenforschung weiter aus.“ Der Prüfstand soll in der Lage sein, die Turbinen moderner Flugzeuge vom Geschäftsflieger bis zum A380-Großflugzeug zu untersuchen. Ziel ist die Entwicklung umweltfreundlicher und kostengünstiger Flugzeugtriebwerke. Aber auch Turbinen von Kraftwerken können erforscht werden.
Die Turbine ist eine der Hauptkomponenten von Flugtriebwerken. Der neue Prüfstand wird es erlauben, Flugzeugturbinen in Originalgröße bei der gleichen Machzahl und adäquaten Gaseigenschaftsverhältnissen zu betreiben. Das bedeutet, dass der Zustand beim späteren Einsatz im Triebwerk realitätsnah simuliert werden kann.
Weil lobte die Triebwerksforschung im DLR Göttingen. Sie leiste einen wichtigen Beitrag zum Luftfahrtstandort Niedersachsen und sichere damit High-Tech-Arbeitsplätze insbesondere auch in der Region Göttingen. Wegen der Bedeutung des Standorts habe das Land Niedersachsen 2,5 Millionen Euro zu den Kosten des Prüfstandes beigesteuert, sagte der Ministerpräsident.
Realitätsnahe Tests
Auszeichnen wird den neuen Prüfstand unter anderem die Luftmenge, die durch die Turbine strömen kann, der sogenannte Massen- oder Volumenstrom. Dieser fällt mit bis zu 10 kg/s sehr hoch aus und nimmt damit weltweit eine Spitzenposition ein. Zudem wird das Druckverhältnis des Verdichters, der allein 70 Tonnen wiegt, doppelt so hoch wie in einer bestehenden DLR-Anlage ausfallen und damit höher als in fast allen vergleichbaren modernen Anlagen. Schließlich soll der neue Prüfstand mit einem sogenannten Brennkammersimulator ausgestattet werden. Dieser soll die Strömungsvorgänge bei der Kraftstoffverbrennung am Austritt einer Triebwerksbrennkammer realitätsnah abbilden können, um deren Interaktion mit der ersten Turbinenstufe erforschen zu können.
Partner aus der Industrie
Über Flugtriebwerke hinaus hat der Prüfstand auch Bedeutung für Kraftwerke, da die dort eingesetzten stationären Gasturbinen technisch gesehen die nächsten Verwandten der Flugzeugtriebwerke sind. Eine von der Industrie und dem DLR durchgeführte Analyse der notwendigen künftigen Forschungsschwerpunkte führte zum Design des neuen Turbinenprüfstands NG-Turb, der mit seinen außergewöhnlichen Leistungsmerkmalen über die nationalen Grenzen hinaus einem breiten Anwenderspektrum zugänglich gemacht werden soll. Bereits seit Jahrzehnten lassen die Triebwerkshersteller MTU und Rolls-Royce ihre Turbinen im DLR Göttingen untersuchen.
Alastair McIntosh, Executive Vice President, Engineering & Technology CSME von Rolls-Royce Deutschland sagte bei der Inbetriebnahme: „Das DLR bietet mit der neuen Anlage einmalige Voraussetzungen für komplexe Turbinentests, durch die wir noch effizientere, noch saubere Triebwerke bauen können. Davon profitieren alle neuen Triebwerksprogramme unseres Unternehmens auf viele Jahre. Wir freuen uns daher auf eine Fortsetzung der produktiven Zusammenarbeit mit den Kollegen des DLR.“
Dr.-Ing. Gerhard Ebenhoch, Leiter Technologymanagement bei MTU Aero Engines, sagte: „Wir freuen uns sehr, dass das DLR diesen äußerst komplexen Großprüfstand eingerichtet hat. Die Verfügbarkeit eines solchen Hochleistungsprüfstands ist gerade in einer Zeit wichtig, in der die Möglichkeiten der virtuellen Darstellung immer tiefgreifender werden. Auf dem Gebiet der Gasturbine soll dieser Prüfstand die notwendigen, detaillierten Versuchsergebnisse liefern, die uns in die Lage versetzen, die immer genauer werdenden Simulationsverfahren zuverlässig zu validieren.“
Bilder: DLR (CC-BY 3.0)