Ganz offiziell könnte der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X schon seit über einem halben Jahr außer Dienst sein, denn solange hat er bereits seine vorgesehene Lebensdauer hinter sich gelassen. Doch die Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) haben dem Satelliten im Vorruhestand sogar noch ein Funktions-Upgrade verpasst.
So haben die Forscher dem am 15. Juni 2007 gestarteteten TerraSAR einen neuen Modus beigebracht: TerraSAR-X kann jetzt auch Bildstreifen mit einer Breite von über 200 Kilometern aufnehmen.
"Dazu tastet der Satellit dieses große Gebiet durch vielfaches, enorm schnelles Schwenken des Radarstrahls quer zur Flugrichtung in mehreren Schritten ab", erläutert DLR-Missionsmanager Stefan Buckreuß. Die Aufnahme der Deutschen Bucht beispielsweise zeigt die friesischen Inseln von Borkum bis Wangerooge und unter anderem die Städte Wilhelmshaven und Bremen. Der neue "Weitwinkel"-Modus ist vor allem für Meeresforscher spannend, die damit Tidenhub, Veränderungen im Wattenmeer, Schiffsbewegungen, Wellenmuster, Eisbewegungen oder auch Windaufkommen untersuchen können.
Ozeanographie profitiert von größeren Blickfeldern
Über 120.000 Bilder hat der Radarsatellit TerraSAR-X seit seinem Start bereits geliefert. Bisher waren die Bildstreifen des TerraSAR-X-Satelliten aber auf eine Breite von 100 Kilometern beschränkt. "Zum ersten Mal haben wir nun eine Aufnahme der kompletten Deutschen Bucht von Osten nach Westen zu einem Zeitpunkt und in hoher Auflösung", betont Dr. Susanne Lehner.
Das freifallende Watt und seine Priele zwischen den einzelnen Inseln und der Küste, der hohe Wasserstand in der Elbmündung und bei Sylt – für die Ozeanographin bietet die Radaraufnahme aus über 500 Kilometern Höhe zahlreiche Informationen. Weiter nördlich schaut der Satellit auf Sylt und mehrere Windparks mit Windkrafträdern, die sich als geometrisch angeordnete helle Punkte auf der Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigen.
Auch einzelne Schiffe sind auf den Radaraufnahmen erkennbar, so dass mit einer Auflösung von 40 Metern im sogenannten Wide-ScanSAR-Mode auch die Schiffsrouten verfolgt werden können. Eines sieht man auf den ersten Testaufnahmen zum Glück allerdings nicht – "Wir können keine Ölverschmutzung in der Deutschen Bucht feststellen – diese würden sich auf der Aufnahme deutlich abzeichnen, wenn sie vorhanden wären", erläutert DLR-Wissenschaftlerin Susanne Lehner. Bei Plattformen in der nördlichen Nordsee hingegen stießen die Wissenschaftler über die Auswertung von Satellitenbildern bereits auf solche Ölverschmutzungen.
Betrieb von TerraSAR-X verlängert – Treibstoff bis 2015
DLR-Wissenschaftlerin Dana Floricioiu nutzt die Aufnahmen, um beispielsweise das Kalben von Eisbergen oder die Bewegung der Gletscher zu untersuchen. "Der neue Modus ermöglicht es, weiträumig glaziologische Prozesse zu beobachten und Eisstrukturen zu kartieren." Mit Aufnahmen in Zeitabfolgen beobachtet die Wissenschaftlerin auch die Risse, die im Eis entstehen, bevor ein Eisberg sich von der Eismasse löst. In der Pine Island Bay in der Antarktis hat Floricioiu den Eisberg B22A im Blick, der mit seinen 81,5 mal 44,4 Kilometern ein Überbleibsel eines noch größeren Eisbergs aus dem Jahr 2002 ist.
"Mit dem neuen Modus haben die Wissenschaftler auf einen Schlag einen sehr guten Überblick über ein großes Gebiet", betont Missionsmanager Stefan Buckreuß. Für die Ingenieure und Wissenschaftler ist diese neue Aufnahmetechnik, die ursprünglich für die Mission gar nicht vorgesehen war, ein weiterer Grund dafür, dass der Satellit im All noch nicht in Rente gehen wird: "Der technische Zustand von TerraSAR-X ist sehr gut, und die Treibstoffreserven erlauben noch einen Betrieb bis mindestens 2015."