Bakterien, Tomaten und einzellige Algen, künstlicher Urin und ein Satellit, der mit seiner Rotation um seine Achse die Schwerkraft von Mond und Mars simulieren kann: All das sind die Bestandteile der Mission Eu:CROPIS.
Eu:CROPIS steht für "Euglena and Combined Regenerative Organic-Food Production in Space" und ist ein Experiment des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). 2016 sollen zwei Gewächshäuser ins Weltall starten, in denen ein kombiniertes Lebenserhaltungssystem das Abfallprodukt Urin zu Dünger verwertet und so das Wachstum von Tomaten für Mond– und Marshabitate sowie Langzeitmissionen ermöglicht. Die Mission soll über ein Jahr laufen, anschließend verglüht der Satellit in der Atmosphäre.
Hungrige Recycling-Bakterien warten auf Nahrung: Urin
Die Wissenschaftler des DLR setzen dabei auf die Kooperation von Bakterien und der einzelligen Alge Euglena gracilis, um die Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen. In regelmäßigen Abständen wird künstlicher Urin in das System gegeben. Dieser wird über einen Wasserkreislauf durch die Lavaplatten des Rieselfilters C.R.O.P. geleitet, in dem unzählige Mikroorganismen leben und hungrig auf diese Nahrung warten. Diese Bakterien zersetzen das für Pflanzen giftige Ammoniak des Urins zunächst in Nitrit und anschließend in Nitrat. Dieses wiederum ist für die Tomatenpflanzen der richtige Dünger, um Früchte zu tragen und neue Samen zu produzieren.
Um den plötzlichen Anstieg von Ammoniak abzufangen, kommen die Euglena der beteiligten Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ins Spiel: Die Augentierchen sind unempfindlich gegen Ammoniak und helfen beim raschen Abbau. "Wir nutzen die Eigenschaften von Organismen, um Stoffe umzuwandeln – die wir wiederum für die Erhaltung anderer Organismen benötigen", erläutert der wissenschaftliche Leiter der Mission, Dr. Jens Hauslage vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin.
Wachstum auf Mars und Mond simuliert
Um im Weltraum die unterschiedliche Schwerkraft von Mars und Mond simulieren zu können, entwickeln und bauen die Ingenieure des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme und des DLR-Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik einen 250 Kilogramm leichten Satelliten, der während des Flugs in rund 600 Kilometern Höhe um seine Längsachse rotiert. Damit wirkt im Inneren eine Zentrifugalkraft, die je nach Rotationsgeschwindigkeit entweder die 0,16-fache Erdgravitation – wie auf dem Mond – oder die 0,38-fache Erdgravitation – wie auf dem Mars – erzeugt.
In den ersten sechs Monaten wird das erste der beiden Gewächshäuser unter Mondbedingungen in Betrieb sein, die nächsten sechs Monate ist das zweite Gewächshaus unter Marsbedingungen aktiviert. Beide befinden sich dabei in einem speziellen, aus Kohlenstofffaserverbund-Komponenten gefertigten Drucktank, der konstant einen Innendruck von einem Bar aufrechterhält.
Faktor Strahlendosis für Organismen im All
Mit an Bord von Eu:CROPIS sind zudem zwei weitere Experimente: Das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin nutzt den Flug ins All für die Langzeitmessung der Weltraumstrahlung mit den Strahlungsdetektoren RAMIS (Radiation Measurement in Space). Das Strahlungsfeld im Weltraum gerade bei Langzeitaufenthalten im Weltall nicht nur für Astronauten ein limitierender Faktor, sondern wirkt auch auf jedes andere biologische System, egal ob Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen.
Mit RAMIS messen die DLR-Strahlenbiologen deshalb sowohl an der Außenwand als auch im Inneren des Satelliten das Strahlenfeld. Die Daten sollen als Grundlage für die Weiterentwicklung von Modellen des Strahlenfelds dienen und die Höhe der Strahlungsdosis erfassen, die während des Flugs auf die Eu:CROPIS-Lebensgemeinschaft einwirkt. Auch die amerikanische Weltraumbehörde NASA steuert ein Experiment zur Photosynthese-Messung an Algen bei.
Photosyntese und pH-Wert: Überleben im All ermöglichenh
Während der Mission werden unzählige Kameras und Sensoren erfassen, was im Inneren der Gewächshäuser abläuft: Wie verläuft das Wachstum der Tomaten und ihre Photosynthese? Welchen pH-Wert und welche Sauerstoffkonzentration hat das Wasser, das in einem Kreislaufsystem die Stoffe durch das gesamte Gewächshaus transportiert. Weitere Kameras haben die einzelligen Algen, ihr Schwimmverhalten und somit ihre Wahrnehmung von Schwerkraft im Blick. In regelmäßigen Abständen werden Proben genommen und vollautomatisch auf genetischer Ebene analysiert.
"Wir wollen demonstrieren, dass die Nutzung von Abfallprodukten in diesem Fall zur Tomatenzucht auch bei reduzierter Schwerkraft auf Mars und Mond und bei Langzeitmissionen möglich ist. Die Experimente an Bord von Eu:CROPIS werden wichtige Ergebnisse liefern, um ein Überleben der Menschheit in lebensfeindlichen Räumen zu ermöglichen – sei es im Weltraum oder auf der Erde", sagt Dr. Jens Hauslage. So wird der Rieselfilter C.R.O.P. derzeit bereits in der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn (Agrohort) erfolgreich eingesetzt, um aus Abfällen wertvollen Dünger zu gewinnen.