Gravitationswellen – vom deutschen Physiker Albert Einstein bereits 1916 auf der Grundlage seiner allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt – erzählen uns die Geschichte unseres Universums. Wegen ihrer äußerst geringen Wirkung zweifelte Einstein allerdings daran, dass sie jemals nachweisbar wären.
Bisher ist es auch nicht gelungen, Gravitationswellen direkt zu messen. Heute – nahezu 100 Jahre nach Einsteins Vorhersage – stehen wir jedoch kurz davor, ihre "extrem leisen" Schwingungen "hörbar" zu machen. Der erste von zwei Sensorköpfen für das Messsystem Inertial Sensor Head (ISH) ist fertiggestellt und der zweite wird Mitte November folgen. Damit ist die wissenschaftliche Nutzlast von LISA Pathfinder (LISA: Laser Interferometer Space Antenna) vollständig und eine mehr als zehnjährige Entwicklungsarbeit erfolgreich abgeschlossen.
Die vom Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) im Rahmen des Wissenschaftsprogramms der Europäischen Weltraumorganisation ESA unterstützte Mission LISA Pathfinder als Vorbereitung zu dem geplanten europäischen Weltraumobservatorium eLISA geht nun mit großen Schritten auf einen Start im Herbst 2015 zu.
Schwingungen in Raum und Zeit – Nachhallen des Urknalls
Fällt ein Stein ins Wasser, dann breiten sich von seinem Aufschlagspunkt Schwingungen in Form von Wellen über die Wasseroberfläche aus. Ähnlich wie der Stein auf der Wasseroberfläche erzeugen auch große Massen, die sich sehr schnell und ungleichförmig beschleunigt im Weltall bewegen, Wellen. Sie breiten sich im Raum aus und sollten sich als winzige Längenänderungen der Raum-Zeit bemerkbar machen.
Mögliche Quellen dieser Gravitationswellen sind so exotische Objekte wie Supernovae, enge Doppelsternsysteme bestehend aus Weißen Zwergen, Kollisionen von Neutronensternen und Pulsaren, der Zusammenstoß von Schwarzen Löchern mit einigen Sonnenmassen bis hin zu den zentralen Objekten in Galaxienkernen mit milliardenfacher Masse der Sonne. Schließlich gehören sogar Gravitationswellensignale aus der Zeit unmittelbar nach dem Urknall zu den erwarteten Quellen.
Ausmaß der Stauchung: Tausendstel eines Atomkerndurchmessers
Allerdings sind die messbaren Auswirkungen von Gravitationswellen extrem gering: Eine Strecke von vier Kilometern dehnt oder staucht sich nur um die unvorstellbar kleine Länge von einigen milliardstel eines millionstel Millimeters – entsprechend etwa einem Tausendstel des Durchmessers eines Kohlenstoffatomkerns. Auch die Bewegung der Planeten um unsere Sonne erzeugt Gravitationswellen. Diese sind jedoch noch um ein Vielfaches schwächer.
Als Quellen messbarer Gravitationswellen kommen deshalb nur die energiereichsten und heftigsten astrophysikalischen Ereignisse in Frage. LISA Pathfinder soll nun nach seinem Start im Herbst 2015 durch die Erprobung kritscher Technologien dazu beitragen, dass das eLISA ab dem Jahr 2034 diese Wellen aufspüren kann. Ebenfalls bereits ab 2015 werden Gravitationswellen auf der Erde, wie wie Advanced LIGO in den USA und Virgo in Italien, in anderen Frequenzbereichen nach den Wellen suchen.
Das Weltraumobservatorium eLISA wird aus drei Raumsonden bestehen, die in Form eines gleichseitigen Dreickecks mit ungefähr zwei Millionen Kilometern Seitenlänge angeordnet sind. Das gesamte Dreieck rotiert und wird der Erde auf ihrer Bahn in zehn bis 25 Millionen Kilometern Abstand in einem sogenannten Driftorbit folgen. Die einzelnen Sonden werden durch Laserstrahlen miteinander verbunden – Präzisionsarbeit auf höchstem Niveau.
Laser-Interferenz verrät Gravitationswellen
Durchläuft eine Gravitationswelle die Anordnung der Sonden, kann das Weltraumteleskop ihre Schwingung im Frequenzbereich zwischen 0,1 MilliHertz bis 0,1 Hertz "hören". Da die Mission sehr komplex ist, muss die Technologie zuerst im Weltraum getestet werden. Diese Aufgabe wird LISA Pathfinder übernehmen. Die Bestandteile der wissenschaftlichen Nutzlast – des sogenannten LISA Technology Package LTP – wurden als Beistellungen von mehreren europäischen Ländern entwickelt und werden derzeit von der Airbus Defence & Space in Friedrichshafen zur Gesamtnutzlast integriert.
Die beiden Sensorköpfe sind dabei neben einem optischen Interferometer die zentralen Subsysteme, die nun von der Firma CGS (OHB AG) in Mailand (Italien) aus verschiedenen Komponenten zusammengebaut und für den Einsatz mit LISA Pathfinder qualifiziert wurden.
Der zweite Sensorkopf wird Mitte November zum Einbau in die Kerneinheit des LTP bereitstehen. Ab April nächsten Jahres wird dann die endgültige Integration der Kerneinheit in die LISA-Pathfinder-Sonde, das Science Modul, erfolgen. Der Start der Mission ist schließlich für den Herbst 2015 vorgesehen, dem sich ein einjähriger Betrieb auf einer Halobahn um den Lagrangepunkt L2 anschließen wird.