Es war nicht nur die erste Landung überhaupt auf einem Kometen, sondern auch gleich die zweite und die dritte – seit dem 12. November 2014 um 18:32 Uhr mitteleuropäischer Zeit sitzt Lander Philae auf der Oberfläche des Kometen Churuymov-Gerasimenko und liefert Daten.
"Wir haben jetzt die Thermalsonde MUPUS und den Bohrer SD2 eingeschaltet", berichtet Koen Geurts aus dem Lander Control Center des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR). Von dem aus Philae gesteuert und kommandiert wird. "Wir im Lander-Kontrollraum sind alle sehr glücklich, dass wir auch unter diesen ungewöhnlichen Umständen noch alle zehn Instrumente aktivieren konnten und die Forscher-Teams wissenschaftliche Daten erhalten. Philae ist ein echter Überlebenskünstler."
Auf den Bildern ist die Landestelle Agilkia zu sehen. Das Titelbild zeigt einen dunklen Fleck in der Mitte scheint aufgewirbelter Staub zu sein, der durch Philaes Landung entstand. Es wäre weniger als zehn Meter von der berechneten Landestelle enfternt (1,3 Meter pro Pixel)! Die Bilder hat die Navigationskamera NAVCAM von Rosetta aus 15 km Entfernung im Abstand von fünf Minuten, 00:03:34 vor und 00:01:26 nach der Landung, aufgenommen. Beim ersten Bild war Philae noch 250 Meter vom Kometen entfernt.
Auf dem Bild nach der Landung scheint Philae sogar erkennbar zu sein, wie er wieder vom Boden abgehoben und auf dem Bild nach rechts gewandert ist, und dabei einen schatten auf den Kometen wirft (Markierung).
Sorgen nach ersten Daten von der Landung
Noch am Abend des 12. November 2014 war die Stimmung im Lander Control Center (LCC) extrem angespannt: "Wir haben unverzüglich an dem ersten Signal des Aufsetzens gesehen: Philae bleibt in Bewegung." Und so brach auch kein begeisterter Jubel aus – stattdessen blickten die Ingenieure eher sorgenvoll auf die Daten aus dem All. Relativ schnell war dem Kontrollraum-Team in Köln klar, dass die Harpunen anscheinend nicht gefeuert wurden, und Philae somit nicht auf der Kometenoberfläche verankert war. Die Daten der Solarpaneele zeigten vielmehr, dass der Lander sich anscheinend noch um sich drehte. Dies hätte bei einer erfolgreichen Landung nicht der Fall sein dürfen.
Fieberhaft analysierten das Kontrollraum-Team und die Wissenschaftler die Daten, die Philae bisher gesendet hatte. Schließlich stand fest: Der Lander war nach dem ersten Aufsetzen wieder abgeprallt und erst nach knapp zwei Stunden – um 18:25 Uhr – erneut aufgesetzt. Dann folgte ein weiterer, achtminütiger Hüpfer, bis der Lander um 18:32 Uhr stehenblieb. Landeplatz Agilkia war somit Vergangenheit.
Programmierung für unbekannte Umgebung
Über 500 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, stand Philae nun an einem Ort, den niemand kannte. Rund um die Uhr wertete das Team im Lander Control Center die Daten aus. Im Laufe der Nacht war dann klar – er hat die ungewöhnliche Mehrfach-Landung nicht nur unbeschadet überstanden, sondern arbeitet sein Arbeitsprogramm ab. Unverzüglich passte das Kontrollraum-Team die Kommandos für den Lander an die neue Situation an.
Zumindest eines stellte Churyumov-Gerasimenko bei dieser Landung gleich unter Beweis: seine Festigkeit. Nach dem ersten Aufsetzen prallte Philae von dem Kometen ab und schwebte mehrere hundert Meter zurück ins All. "Die Oberfläche kann also nicht besonders weich sein, sonst hätte der Lander keinen so großen Hüpfer gemacht", erläutert DLR-Kometenforscher Dr. Ekkehard Kührt, der die wissenschaftliche Beteiligungen des DLR an der Rosetta-Mission leitet.
Erster Blick von der Oberfläche eines Kometen
"Wir waren in Kontakt mit der Kometenoberfläche und können mit diesen Daten sehr gut wissenschaftlich arbeiten", sagt Martin Knapmeyer vom DLR-Institut für Planetenforschung. Der Wissenschaftler gehört zum Team des Instruments CASSE, das die mechanischen Eigenschaften, beispielsweise die Festigkeit, des Kometen untersucht. Eingeschaltet war es bereits vor der Abtrennung des Landers aus der Sonde und zeichnete beim Abstieg unter anderem die Vibrationen des Schwungrads auf. Auch die Erschütterung der ersten Landung konnten die Wissenschaftler in ihren Daten erkennen.
Das Magnetometer ROMAP war ebenfalls wichtig, um die Vorgänge der dreifachen Landung nachzuvollziehen: "Unsere Daten zeigen die Bewegung von Philae, und wir sehen deutlich, dass er nach den ersten beiden Landungen wieder ins Taumeln geriet und sich um die eigene Achse drehte", sagt Hans Ulrich Auster von der TU Braunschweig. Auch der Mast, der beim Abstieg für die Messungen ausgefahren wurde, reagierte auf die Landungen. "Wir werden jetzt mit der Auswertung unserer Daten beginnen." Das ROMAP-Team untersucht, ob der Komet ein eigenes Magnetfeld hat.
Auch die ROLIS-Kamera lieferte dem Wissenschaftler-Team um Dr. Stefano Mottola vom DLR-Institut für Planetenforschung die begehrten Bilder von der Kometenoberfläche. Bereits vor der ersten Landung nahm die Kamera bei der Annäherung an Churyumov-Gerasimenko Fotos auf – und konnte auch das erste Bild überhaupt direkt von der Kometenoberfläche aus erstellen.
Nur 1,5 Sonnenstunden am Tag – Bohrer wurde aktiviert
Der technische Leiter des Landers, Koen Geurts, ist mit dem Zustand von Philae mehr als zufrieden: "Er funktioniert selbst an der neuen Landestelle tadellos." Mit dem Einsatz des Bohrers folgt nun das letzte Instrument, das noch nicht in Betrieb war. Die Lebensdauer der Batterie ist allerdings begrenzt: Sehr wahrscheinlich wird das Team heute gegen 21:00 Uhr das letzte Mal mit dem Lander kommunizieren können. "Wir kämpfen um jedes bisschen Energie und sparen, wo es nur geht."
Die Landestelle am Rand eines Kraters bietet lediglich 1,5 Stunden Sonnenlicht am Tag – das reicht wohl nicht, um die Batterien mit Sonnenenergie aufzuladen. Ist die Batterie leer, wird Philae automatisch in einen Schlafmodus schalten und sich erst zurückmelden, wenn seine Energie wieder ausreicht. "Es könnte sein, dass er bei der Annäherung an die Sonne aufladen kann – das wird aber wahrscheinlich nicht in den nächsten zwei Monaten sein", schätzt Koen Geurts. "Aber wir haben erfolgreich dafür gearbeitet, dass die erste Landung auf einem Kometen auch aus wissenschaftlicher Sicht gelungen ist."
Fortlaufend führte Lander Philae insgesamt über 56 Stunden wissenschaftliche Messungen auf der Kometenoberfläche durch – am 15. November 2014 um 01:15 Uhr war der Energiezustand des Landers so niedrig, dass die Ingenieure davon ausgehen, dass Philae diese Nacht in den Schlafmodus geht. "Philae ist ein voller Erfolg", sagt Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR).
Philae übersandte die letzten Daten
Seit etwa 23:30 Uhr stand Philae mit seinem Kontrollraum im DLR Köln in Verbindung und sendete die wissenschaftlichen Daten für den Bohrer SD2 und das Instrument COSAC. Zu Beginn des Kontakts hatten die Ingenieure im Lander Control Center des DLR noch weitere Kommandos zu Philae geschickt. Und der Lander hielt sich tapfer, obwohl mehrfach die Funkverbindung zur Erde abriss: Immer wieder jubelten die Wissenschaftler der Mission, als kontinuierlich neue Daten aus dem All eintrafen. Thermalsonde MUPUS hat bereits wissenschaftliche Daten geliefert. Der Bohrer SD2 hat sein Programm durchlaufen. Wissenschaftler und Ingenieure erwarten im Lander Control Center derzeit die Daten vom den Bohrer sowie dem Instrument COSAC.
So führte der Lander noch in der Nacht Messungen mit dem Instrument Ptolomy durch, nahm zwei Bilder mit der ROLIS-Kamera auf und durchleuchtet gemeinsam mit dem CONSERT-Instrument auf dem Orbiter Rosetta den Kometen. Außerdem gelang es dem Team im LCC, den Körper des Landers durch ein Hüpfen von vier Zentimetern in die Höhe um 35 Grad zu rotieren. So ist der Lander mit den Solarpaneelen besser auf die Sonne ausgerichtet – davon erhofft sich das Kontrollraumteam, dass die Batterien des Landers an seinem recht schattigen Standort schneller aufladen können. Die Muttersonde, die mittlerweile wieder auf einer Umlaufbahn in 30 km Abstand vom Kometen ist, lauscht fortan bei jedem Überflug auf ein Signal von Philae.
Philaes Ruhezustand bedeutet auch für das Team im Lander Control Center eine Ruhepause: "Nach einer sehr aufregenden und erfolgreichen Woche nimmt sich Philae jetzt die Zeit, sich auszuruhen – und auch das Team kann jetzt wieder Atem schöpfen", sagt DLR-Ingenieur Koen Geurts. In den vergangenen Tagen hatte das LCC rund um die Uhr gearbeitet, um den Lander zu kommandieren und die Zeit der sogenannten "First Science Sequence" – der ersten wissenschaftlichen Phase – optimal zu nutzen.
Bilder: ESA/Rosetta/NAVCAM – CC BY-SA IGO 3.0; Hervorhebungen: Redaktion; ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA; DLR.