LISA Pathfinder nun abgeschaltet

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LISA Pathfinder hat bei der Vorbereitung einer Weltraum-Laserinterferometrie zum Nachweis von Gravitationswellen die Grenzen des bisher technisch Möglichen übertroffen und damit einen wichtigen Schritt hin auf das geplante Gravitationswellen-Observatorium LISA (Laser Interferometer Space Antenna) gemacht.

Am Abend des 18. Juli 2017 ist die Mission LISA Pathfinder nach 16 Monaten wissenschaftlichen Betriebs im Orbit abgeschaltet worden. Damit geht eine anspruchsvolle Technologiedemonstration im Weltraum zu Ende. Das Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für – und Raumfahrt (DLR) und die Max-Planck-Gesellschaft haben den deutschen Beitrag zu dieser Mission der europäischen ESA finanziert.

LISA soll winzigste Schwingungen der Raumzeit – sogenannte Gravitationswellen – „beobachten“ und damit den energiereichsten und heftigsten astrophysikalischen Ereignissen in unserem Universum auf die Spur kommen. Sie sollen von LISA ab 2034 mit Hilfe einer Laserinterferometrie zwischen drei jeweils rund zweieinhalb Millionen Kilometer voneinander entfernten Sonden erforscht werden. War LISA bisher lediglich ein Missionskonzept, so hat das Science Programme Committee (SPC) der ESA die Mission inzwischen als dritte der großen Missionen (L3) seines „Cosmic Vision Programms“ ausgewählt.

Herzstück von LISA Pathfinder funktionierte tadellos

Wie der Missionsname bereits verrät, sollte die am 03. Dezember 2015 gestartete Mission LISA Pathfinder den Weg für das Gravitationswellen-Observatorium bereiten. Hier wurden Schlüsseltechnologien für LISA erprobt, die wegen der Schwerkraft und anderer Störungen auf der Erde nicht angemessen getestet werden können. Einige davon sind im sogenannten LISA Technology Package (LTP) untergebracht. Diese komplexe Nutzlast – das Herzstück von LISA Pathfinder – wurde unter der Leitung der Defence & Space GmbH in mit Beistellungen wichtiger Komponenten und Beiträgen aus mehreren europäischen Ländern entwickelt.

In wurde auch ihr Kernstück – das LTP Core Assembly – gebaut, getestet und danach bei der Firma IABG in Ottobrunn in die Sonde integriert. „Diese Technologie hat sehr gut funktioniert. Schon bei den ersten Messungen Ende Februar 2016 zeigte sich noch während der Inbetriebnahme der Sonde, dass die Ziele der Mission zum Teil deutlich übertroffen werden würden“, blickt Dr. Hans-Georg Grothues, LISA Pathfinder-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement, zurück.

Es wurde daher im Juni 2016 beschlossen, die Mission bis Mitte 2017 zu verlängern. „So konnten noch weitere, zum Teil mehrwöchige Langzeitmessungen gemacht werden, die die Ergebnisse noch einmal deutlich verbessert haben. Am Ende der Mission wurden sogar weitgehend die Anforderungen für die spätere LISA-Mission erreicht und teilweise sogar übertroffen“, ergänzt Grothues. Erste Ergebnisse sind auch in einer Fachveröffentlichung publiziert.

Technologie bereit für den Einsatz bei LISA

Weil die Tests über Erwarten gut verliefen, kann ein Teil der LTP-Technologie nun auch bei LISA zum Einsatz kommen. „Richtig gut haben vor allem die sogenannten Inertialsensoren für das Laserinterferometer von LISA und das sogenannte Drag-Free-Attitude-Control-System (DFACS) funktioniert“, erklärt Grothues. Das DFACS bekommt Signale der Inertialsensoren und hält in einer Rückkoppelungsschleife die Sonde im Gleichgewicht, indem es Störkräfte – wie zum Beispiel den Strahlungsdruck der Sonne – sehr genau über den Einsatz von europäischen Kaltgastrieb- und US-amerikanischen Kolloidtriebwerken vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA ausgleicht: Raumsonde und Nutzlast bilden auf diese Weise eine untrennbare Einheit.

Die Inertialsensoren enthalten freifliegende, würfelförmige Testmassen von etwa zwei Kilogramm Masse aus einer speziellen Gold-Platin-Legierung. Sie bilden die Spiegel an den Enden der Arme des Laser-Interferometers, dessen Licht durch einen besonders rauscharmen Laser der deutschen Firma Tesat Spacecom GmbH erzeugt wird. Nahezu reibungslos funktionierte auch die kritische Freigabe der Testmassen, die während des Starts durch einen Haltemechanismus gesichert werden mussten. Auch deren mehrfaches Wiedereinfangen, Positionieren und Freigeben im Laufe der Mission wurden erfolgreich durchgeführt.

Laser-Dreieck sucht Gravitationswellen

Bei LISA werden diese Arme des Laserinterferometers durch drei Satelliten an den Ecken eines nahezu gleichseitigen Dreiecks aufgespannt und rund 2,5 Millionen Kilometer lang sein. Läuft eine Gravitationswelle durch diese Konstellation hindurch, ändern sich die Abstände zwischen den Testmassen in den Satelliten minimal.

„Diese unvorstellbar kleinen Abstandsänderungen sind gerade einmal so groß, wie der Kern eines Wasserstoffatoms. Wir wissen jetzt aber, dass wir sie – und damit auch Gravitationswellen – mit der höchst empfindlichen Laserinterferometrie-Messtechnik im Weltraum nachweisen und untersuchen können. Dank LISA Pathfinder wird die exakte Kenntnis dieser Abweichungen nun in die Konstruktion des LISA Gravitationswellen-Observatoriums einfließen“, betont Grothues.

Zwar wurde bei LISA Pathfinder die Armlänge auf 38 Zentimeter drastisch verkürzt, um das Interferometer im Wissenschaftsmodul der Mission unterzubringen zu können. „Dennoch erlaubt das LTP repräsentative Messungen vieler Effekte und Störungen an den beiden freifliegenden Massen, wie sie später auch bei LISA charakteristisch sein werden“, sagt der DLR-Missionsmanager.

Industrielle Beteiligung und Forschungsinstitute

Als Europäische Raumfahrtagentur war die ESA für die Durchführung der Mission LISA Pathfinder verantwortlich. In deren Auftrag hat die Defence & Space Ltd. in Großbritannien die Sonde gebaut und die Mission geplant. Unter der Leitung der Airbus Defence & Space GmbH in Friedrichshafen waren an der Entwicklung des LISA Technology Package (LTP) neben der ESA Forschungseinrichtungen und Industriefirmen aus Deutschland, Italien, Großbritannien, , der Schweiz, und den Niederlanden entscheidend beteiligt.

Bei Airbus in Friedrichshafen wurde auch das Kernstück der Nutzlast – das LTP Core Assembly – gebaut, getestet und danach bei der Firma IABG in Ottobrunn bei in den Satelliten integriert. Der deutsche Beitrag wurde neben der Airbus Defence & Space GmbH maßgeblich vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik / Albert-Einstein-Institut (AEI) in geleistet und von der Max-Planck-Gesellschaft sowie dem DLR Raumfahrtmanagement im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert.

Auf den Bildern

Das Gravitationswellen-Observatorium LISA soll winzigste Schwingungen der Raumzeit – sogenannte Gravitationswellen – „beobachten“ und damit den energiereichsten und heftigsten astrophysikalischen Ereignissen in unserem Universum auf die Spur kommen. Sie sollen von LISA ab dem Jahr 2034 mit Hilfe einer Laserinterferometrie zwischen drei jeweils rund zweieinhalb Millionen Kilometer voneinander entfernten Sonden erforscht werden. War dieses Observatorium bisher lediglich ein Missionskonzept, so hat inzwischen das Science Programme Committee (SPC) der ESA die Mission als dritte der großen Missionen (L3) seines Cosmic Vision Programms ausgewählt.

So schwingt die Raumzeit: Computersimulation der abgestrahlten Gravitationswellen von zwei miteinander verschmelzenden Schwarzen Löchern: Die Technologiedemonstration LISA Pathfinder hat den Weg geebnet, um ab 2034 mit dem Observatorium LISA Gravitationswellen direkt im Weltall zu untersuchen. Die mit LISA zu beobachtenden Gravitationswellen sind von der Erde aus nicht nachzuweisen, da sie dort unter anderem durch seismische Störungen vollständig überlagert werden.

LISA Technology Package (LTP) – das Herzstück von LISA Pathfinder: LISA Pathfinder besteht aus dem Wissenschaftsmodul (links oben in der Explosionszeichnung) und dem Antriebsmodul (links unten), das nach dem Erreichen des endgültigen Orbits abgeworfen wurde. Das optische Messsystem von LISA Pathfinder – das LISA Technology Package (LTP) – ist rechts herausgehoben und umfasst zwei Gold-Platin-Testmassen, umgeben von jeweils einem „Electrode Housing“ in kompakten Vakuumkammern im Wissenschaftsmodul der Mission. Zwischen den Testmassen (Abstand 38 Zentimeter) ist die optische Bank des Laserinterferometers angeordnet.

Laserinterferometer: Auf einem Block aus einer Zerodur-Glaskeramik mit einer quadratischen Grundfläche von 20 Zentimetern Kantenlänge ist ein Set aus 22 Spiegeln und Strahlteilern aufgebaut – die optische Bank des Interferometers von LISA Pathfinder. Die beiden vergoldeten Testmassen zu beiden Seiten der optischen Bank dienen als Endspiegel des Interferometers und sind etwa 38 Zentimeter voneinander entfernt. Mit Hilfe des Laserinterferometers werden die Positionen und die Ausrichtung der Massen relativ zueinander und in Bezug auf die Sonde mit höchster Präzision gemessen.

LISA Pathfinder wird den Anforderungen vom Forschungsvorhaben LISA gerecht: Das zeigen die ersten Ergebnisse der Technologiedemonstration. Im Diagramm sieht man die noch vorhandenen Störkräfte (Beschleunigungsrauschen der Testmassen) abhängig von der Frequenz der zeitlichen Änderung. Messungen sind dabei farbig dargestellt, die Anforderungen für LISA Pathfinder beziehungsweise LISA sind ebenfalls gekennzeichnet. LISA Pathfinder hat bei vielen Frequenzen bereits die Anforderungen von LISA erreicht oder sie gar übertroffen. Inzwischen – am Ende der Mission – lagen auch bei niedrigen Frequenzen die Messungen unter oder nahe den Anforderungen für LISA.