Die ESA-Ministerratskonferenz ist das höchste Entscheidungsgremium der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Sie fand zuletzt genau vor zwei Jahren, am 02. Dezember 2014, in Luxemburg statt.
Am 01. und 02. Dezember 2016 tagten die in Europa für Raumfahrt zuständigen Minister im schweizerischen Luzern, um die programmatischen und finanziellen Weichen für die europäische Raumfahrt der nächsten Jahre zu stellen. Die deutsche Bundesregierung wurde durch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Brigitte Zypries, vertreten. Unterstützt wurde Zypries, zugleich auch Koordinatorin für die Luft– und Raumfahrt, von Prof. Pascale Ehrenfreund, der Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR), und Dr. Gerd Gruppe, DLR-Vorstand für das Raumfahrtmanagement, das in enger Kooperation mit dem BMWi die deutsche Position für die ESA-Ministerratskonferenz vorbereitet hat.
Gemeinsames Erforschen des Universums
„Besonders unser Engagement bei den Anwendungsprogrammen führt zu konkretem Nutzen für die Menschen. Satellitengestützte Erdbeobachtung etwa ist die Grundlage für einen verbesserten Klimaschutz. Zudem entstehen durch die Verwendung von Satellitendaten innovative Geschäftsmodelle für deutsche Unternehmen“, betonte Brigitte Zypries zum Abschluss der Konferenz. „Wir haben auch erreicht, dass Kleine und Mittlere Unternehmen bei Raumfahrt-Investitionen unterstützt werden.“ Gleichzeitig standen aus deutscher Sicht die ESA-Programme im Fokus, die mit exzellenter Forschung das Verständnis des Weltalls und der Erde grundlegend erweitern und Basis für strategische internationale Kooperationen sind. Auch die Internationale Raumstation ISS möchte Deutschland weiter nutzen: „Wir übernehmen bei der ISS Verantwortung für ein zentrales globales Projekt. Die Raumstation bietet hervorragende Möglichkeiten für Forschung unter Weltraumbedingungen. Auch die deutsche Industrie profitiert von den Ergebnissen, etwa bei der Materialforschung. Und wir freuen uns auf Alexander Gerst 2018 im All“, sagte Brigitte Zypries weiter.
„Mit unseren Programmbeteiligungen sorgen wir für die notwendige Kontinuität in der europäischen Raumfahrt, setzen aber gleichzeitig neue Akzente in besonders zukunftsträchtigen Themen. Durch den deutschen Beitrag ist es gelungen, die europäische Beteiligung an der ISS langfristig und zuverlässig bis zum Jahr 2024 festzuschreiben. Bei ExoMars hat Deutschland durch die Zeichnung von 29 Millionen Euro seine Verpflichtungen eingehalten und ist damit weiterhin ein starker Partner in dieser internationalen Kooperation mit den USA und Russland“, ergänzt die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Pascale Ehrenfreund und Leiterin der Deutschen Delegation auf Delegationsebene und betont: „Mit unserer wissenschaftlichen und technologischen Kompetenz und den Beteiligungen in den Anwendungsprogrammen wie der Erdbeobachtung können wir einen entscheidenden Beitrag für die internationale Entwicklungshilfe und bei der Umsetzung der globalen Nachhaltigkeits- und Umweltziele der Vereinten Nationen leisten.“
Bei der ESA-Ministerratskonferenz sind insgesamt Finanzmittel von 10,3 Milliarden Euro gezeichnet worden. Deutschland stellte zwei Milliarden Euro bereit und ist damit der stärkste Beitragszahler der ESA. Im Einzelnen zeichnete Deutschland rund 867 Millionen Euro für die ESA-Pflichtprogramme, dazu zählen neben dem allgemeinen Haushalt das Wissenschaftsprogramm und der Europäische Weltraumbahnhof in Kourou. Rund 1,2 Milliarden Euro des deutschen Beitrags entfallen auf die so genannten optionalen Programme: konkret rund 300 Millionen Euro für Erdbeobachtung, rund 160 Millionen Euro für Telekommunikation, rund 63 Millionen Euro für Technologieprogramme, rund 346 Millionen Euro für die Fortführung des Betriebs der Internationalen Raumstation ISS bis 2019, und rund 88 Millionen für die Forschung unter Weltraumbedingungen. Zudem unterstützt Deutschland in einer politischen Deklaration die Fortsetzung des ISS-Betriebs bis 2024.
Deutsche Zeichnungen
E3P – Rahmenprogramm für Forschung und Exploration
Alle robotischen und astronautischen Aktivitäten zur Exploration werden im neuen Rahmenprogramm „European Exploration Envelope Programme“ (E3P) zusammengefasst. Dieses bündelt das europäische Wissenschafts- und Technologieprogramm zur Nutzung des erdnahen Orbits für Weltraumforschung mit der Erkundung von Mond und Mars. Teilprogramme hier sind die ISS (deutscher Anteil: 346 Millionen Euro) und ihr Nutzungsprogramm SciSpacE (deutscher Anteil: 88 Millionen Euro) im niedrigen Erdorbit. Deutschland übernimmt hier somit die Führungsrolle. Für die Fortsetzung der ExoMars-Mission zeichneten die Mitgliedsländer weitere 339 Millionen Euro, davon Deutschland rund 28 Millionen. Zudem beteiligt sich Deutschland mit 21 Millionen Euro an ExPeRT (Exploration, Preparation, Research and Technology), einem Programm für Missionsstudien und Technologieentwicklung für weitere Explorationsthemen, auch mit kommerziellem Ansatz.
Trägersysteme
Bei den Trägersystemen lagen die zentralen Entscheidungen bei dem Betriebs-Programm „Launchers Exploitation Accompaniment“ (LEAP). Deutschland hat hier rund 155 Millionen Euro gezeichnet und ist nach Frankreich stärkster Partner. Ab 2020 wird die Ariane 6 als neuer Träger Nutzlasten ins All bringen. Deutschland beteiligt sich mit einem Anteil von rund 23 Prozent an den Gesamtkosten der Ariane-6-Entwicklung, industrielle Hauptauftragnehmer sind Airbus Safran Launchers (in Deutschland mit Standorten in Bremen und Ottobrunn) und MT Aerospace in Augsburg und Bremen.
Um auch langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen zudem innovative Technologien, Prozesse und Systemkonzepte entwickelt und marktreif gemacht werden. Diese „New Economic Opportunities“ (NEOs) sollen Entwicklungs- und spätere Produktionskosten bei gleichzeitiger Senkung des Entwicklungsrisikos drastisch reduzieren. In diesem Future-Launcher-Preparation-Programme (FLPP) hat Deutschland isgesamt rund 52 Millionen Euro neu gezeichnet.
Wissenschaft
Bis 2035 sollen im ESA-Wissenschaftsprogramm sieben mittlere und drei große Missionen zur Erkundung und weiteren Analyse unseres Sonnensystems und anderer Galaxien gestartet. Die Finanzierung dieses Programms richtet sich nach der Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten. Deutschland ist mit gut 20 Prozent größter Beitragszahler dieses Programms und zeichnete 542 Millionen Euro.
Von besonderem deutschem Interesse ist die Mission PLATO, die ab 2025 große Teile des Himmels nach Exoplaneten und hellen Sternen durchsuchen soll. Die wissenschaftliche Führung liegt hier beim DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin, das auch die Nutzlast der Mission entwickelt. Hierbei spielt die deutsche Raumfahrtindustrie, insbesondere die Firmen OHB und Airbus Defence & Space, eine entscheidende Rolle. Das Datenzentrum wird wesentlich beim Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen aufgebaut. Das DLR Raumfahrtmanagement ist gegenüber der ESA hauptverantwortlich für die Lieferung der Nutzlast.
An der Jupitermond-Mission JUICE (geplanter Start 2022) ist Deutschland an sechs von insgesamt elf Instrumenten beteiligt, davon zwei unter deutscher Leitung. Die europäisch-japanische Mission BepiColombo soll im April 2018 zum sonnennächsten Planeten Merkur starten und neue Erkenntnisse über die Entstehung des gesamten Sonnensystems bringen. Deutsche Forschungseinrichtungen beteiligen sich mit sechs Instrumenten an der Mission.
Ende 2020 soll die Mission Euclid der Frage nach der „Dunklen Materie“ und dunklen Energie im Universum nachgehen. Deutsche Partner sind das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, die Universitätssternwarte München und die Universität Bonn.
Erdbeobachtung
Von der Klimaforschung und globalen Umweltüberwachung bis hin zur immer präziseren Wettervorhersage und satellitengestützten Katastrophenhilfe: Mit der Zeichnung von rund 300 Millionen Euro ist Deutschland zusammen mit Großbritannien stärkster Beitragszahler der Erdbeobachtungprogramme und möchte seine internationale Spitzenstellung in der Erdbeobachtung erhalten. Deutsche Industrie und Forschungsgruppen waren und sind maßgeblich an erfolgreichen Missionen wie GOCE, Cryosat 2, SWARM und SMOS beteiligt sowie auch an den künftigen Missionen ADM/Aeolus, BIOMASS, FLEX und EarthCARE. Die ESA-Klimainitiative (GMECV+) liefert derzeit schon regelmäßig zwölf essentielle Klimavariablen und wurde auf der Ministerratskonferenz verlängert.
Satellitenkommunikation
In der Satellitenkommunikation (ARTES-Programme) ist Hauptziel die Unterstützung von innovativen Technologien und Prm voluptuaodukten für den weltweiten kommerziellen Markt. Deutschland zeichnete hier rund 160 Millionen Euro. Deutscher Schwerpunkt liegt insbesondere in der optischen Kommunikation. Hier hat die deutsche Industrie mit der Entwicklung der Laserkommunikationsterminals einen mehrjährigen Vorsprung. Deshalb zeichnet Deutschland in dem neuen Programm Skylight zur Förderung optischer Technologien rund 26 Millionen Euro und führt diese Initiative.
Darüber hinaus finanziert Deutschland kommerziell orientierte integrierte Anwendungen (auch „NewSpace“-Aktivitäten) mit rund 18 Millionen Euro. Für „Electra“, die Entwicklung eines von dem Bremer Unternehmen OHB geführten Kleinsatellitenbusses mit elektrischen Triebwerken, hat Deutschland zudem weitere rund 64 Millionen Euro gezeichnet. Damit wird die für das Marktsegment kleinerer Telekommunikationssatelliten in Deutschland gebaute SmallGEO-Plattform konsequent weiterentwickelt. Am 27. Januar 2017 soll der erste SmallGEO-Satellit von Kourou aus starten.
Weltraumlage
Bei der Weltraumlage („Space Situational Awareness“, SSA) zeichnete Deutschland 16 Millionen Euro mit dem Schwerpunkt Weltraumwetter. Bessere Kenntnisse des Weltraumwetters leisten einen wertvollen Beitrag für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung weltraumgestützter und terrestrischer Infrastrukturen, etwa bei globalen Navigationssatellitensystemen und für die Wissenschaft. Es sind auch wichtige Daten für das deutsche Weltraumlagezentrum.
Technologieentwicklung
Die deutsche Programmbeteiligung am so genannten Allgemeinen Technologieförderprogramm GSTP zielt insbesondere auf den Erhalt, Ausbau und Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit von deutschen KMU, insbesondere von Start-ups. Die deutsche Zeichnung liegt bei rund 63 Millionen Euro.
Auf den Bildern
- ESA-Ministerratskonferenz in Luzern: Brigitte Zypries (Mitte), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Koordinatorin für die Luft- und Raumfahrt, leitete die deutsche Delegation bei der ESA-Ministerratskonferenz in Luzern.
- ESA Ratstagung auf Ministerebene: Die für Raumfahrt zuständigen Minister bzw. Staatssekretäre der 22 ESA-Mitgliedsstaaten sowie Kanadas und Sloweniens trafen sich am 01. und 02. Dezember 2016 in Luzern, um die Weichen für die europäischen Raumfahrtprojekte der nächsten Jahre zu stellen. Für Deutschland führte Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Koordinatorin der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt (6. von rechts) die Verhandlungen.