Pilot einer Lancair 235 verlor Kontrolle über Flugzustand

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Der war um 13:12 Uhr am Itzehoe (EDHF) in Begleitung eines Fluggastes zu einem privaten Flug gestartet. Laut Flugwegaufzeichnung des Flugsicherungsunternehmens flog das in 1.400 ft AMSL in nordöstliche Richtung. Die Flugwegaufzeichnung endete um 13:22 Uhr.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 16. Oktober 2011
  • Ort: Langwedel-Blocksdorf
  • Luftfahrzeug: Flugzeug
  • Hersteller / Muster: Amateurbau / Lancair 235
  • Personenschaden: zwei Personen tödlich verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: Flurschaden

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Zeugen, die sich in der Nähe der Unfallstelle befanden, hatten ein „lautes Krachen“ gehört. Das Flugzeug war in einem Maisfeld aufgeschlagen. Die beiden Insassen wurden tödlich verletzt und das Flugzeug zerstört. Abb. 2 zeigt die Flugwegaufzeichnung (gelb) in Richtung Nordost (roter Pfeil) im Zeitraum 13:14 Uhr bis 13:22 Uhr.

Angaben zum Luftfahrzeugführer

Die 40-jährige männliche Person war im Besitz einer Lizenz für Privatpiloten PPL(A) nach den Regelungen der ICAO, erstmalig ausgestellt am 13. April 1995, gültig bis 11. Mai 2015. Der war berechtigt, einmotorige kolbengetriebene Landflugzeuge als verantwortlicher Luftfahrzeugführer PIC SE piston (land) zu führen. Die Berechtigung war bis 11. Mai 2013 gültig. Außerdem besaß er die Schleppberechtigung ohne Fangschlepp SB(A).

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2, erstmalig ausgestellt am 02. Mai 1985, war bis zum 25. April 2014 gültig. Das Tauglichkeitszeugnis enthielt Auflagen. Laut persönlichem Flugbuch betrug die Gesamtflugerfahrung 105 Stunden bei 294 Starts und Landungen. Nach dem Kauf des Flugzeuges im August 2010 hatte er sich in Begleitung eines Fluglehrers mit dem Muster im Rahmen einer Flugzeit von 03:55 Stunden vertraut gemacht. Im Zeitraum von Mai bis Oktober 2011 absolvierte er als verantwortlicher Luftfahrzeugführer 07:32 Stunden auf dem Muster. Seit dem Jahr 1988 war er außerdem im Besitz eines Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. Die Flugerfahrung betrug 412 Stunden bei 515 Starts und Landungen.

Angaben zum Luftfahrzeug

Allgemeine Beschreibung und Daten des Flugzeuges

Das Flugzeug war ein zweisitziger Tiefdecker, hergestellt aus glasfaserverstärktem Kunststoff und ausgerüstet mit einziehbarem Fahrwerk, Kolbentriebwerk und Dreiblatt-Verstellpropeller.

  • Hersteller: Amateurbau
  • Muster: Lancair 235
  • Werknummer: 229
  • Baujahr: 1990
  • Betriebszeit: 741 Stunden
  • Triebwerk: Lycoming O-235-H2C
  • Betriebszeit: 124 Stunden
  • Propeller: Mühlbauer MTV-7-F/152-106
  • Betriebszeit: 556 Stunden

Das Flugzeug war in Deutschland als „Beschränkte Sonderklasse“ zum Verkehr zugelassen und wurde privat betrieben. Die letzte technische Prüfung, eine Jahresnachprüfung, wurde am 31. Juli 2011 bei einer Betriebszeit von 736 Stunden durchgeführt. Abb. 3 zeigt eine Dreiseitenansicht der Lancair 235 (Quelle: Hersteller).

Laut Wägebericht vom 09. Mai 2008 betrug die Leermasse 453 kg. Der Flugmassen-Schwerpunkt lag in einem Bereich von 62,23 bis 76,96 cm hinter dem Bezugspunkt bei einer maximal zulässigen Abflugmasse von 650 kg. Laut Obduktionsbericht hatten die beiden Insassen eine Gesamtmasse von 158 kg. Laut den Tanknachweisen geht die BFU von einem Tankinhalt von etwa 40 l (29 kg) Kraftstoff aus. Daraus ergaben sich eine Flugmasse von 640 kg und eine Lage des Schwerpunktes bei 70 cm hinter dem Bezugspunkt.

Auszüge aus dem Flughandbuch

2.8 Das Flugzeug ist mit einem System zur Ermittlung des Anstellwinkels ausgestattet. Kurz vor Erreichen des überzogenen Flugzustandes ertönt eine akustische Warnung: „Angle, Angle, Push“.

2.10 Zur Vermeidung von zu großen Drehmomenten auf die Landeklappen sollten sie ab einer Geschwindigkeit von 140 Knoten (kt) negativ (ca. -5°) gestellt werden.

3.11 Ohne Motorleistung kündigt sich das Überziehen durch eine leichte Nickbewegung um die Querachse bei bis zu sechs Knoten über der Überziehgeschwindigkeit an. Überziehen mit negativer Klappenstellung ist zu vermeiden. Beim Überziehen mit Motorleistung treten durch den Propellerdrall große Schiebemomente auf, die nicht mehr mit dem Seitenruder ausgeglichen werden können.

5.3 Die Überziehgeschwindigkeit lag bei einer Flugmasse von 640 kg und eingefahrenen Landeklappen bei 62 kt angezeigter Fluggeschwindigkeit (IAS).

Meteorologische Informationen

Laut Routinewettermeldung (METAR), ausgegeben um 13:20 Uhr, des etwa 20 km entfernten Flugplatzes Kiel (EDHK) wehte der Wind aus 160° mit sieben Knoten und die Sicht betrug mehr als 10 km. Es herrschte geringe Bewölkung, die Basishöhe betrug 2.000 ft. Die Lufttemperatur lag bei 12 °C, der Taupunkt bei drei °C und das QNH wurde mit 1.026 hPa angegeben. Abb. 4 zeigt das Wetter im Gebiet der Unfallstelle um ca. 14:00 Uhr.

Funkverkehr

Nach dem Start gab es keinen Funkverkehr.

Flugdatenaufzeichnung

Das Flugzeug war nicht mit einem Flight Data Recorder (FDR) bzw. Voice Recorder (CVR) ausgestattet. Diese Aufzeichnungsgeräte waren entsprechend den gültigen Vorschriften nicht gefordert. Der Flugweg des Flugzeuges wurde von dem Flugsicherungsunternehmen von 13:13:53 Uhr bis 13:22:02 Uhr aufgezeichnet und stand der BFU als Radaraufzeichnung zur Auswertung zur Verfügung. An Bord des Flugzeuges wurde ein Straßennavigationsgerät des Herstellers Medion mitgeführt. Die Daten auf der Speicherkarte standen der BFU zur Auswertung zur Verfügung.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Unfallstelle

Die Unfallstelle befand sich ca. 350 Meter westlich der Ortslage Blocksdorf in einem Maisfeld mit zirka zwei Meter hohem Pflanzenbestand. Die Höhe des Geländes über Meeresspiegel betrug etwa 140 ft. An der ungefähr zehn Meter entfernten Baumreihe wurden keine Kollisionsspuren festgestellt. Im Pflanzenbestand war keine Schneise erkennbar.

Propeller und Motor waren etwa 40 cm tief ins Erdreich eingedrungen. Die Aufprallrichtung wurde mit zirka 150° bestimmt, der Aufprallwinkel mit etwa 70° bis 80°. An der Unfallstelle waren alle Baugruppen und Steuerflächen aufgefunden worden. Abb. 5 zeigt die Unfallstelle.

Feststellungen am Flugzeug

Das Wrack wurde in zwei Hauptsektionen vorgefunden, zum einen die Motor-Propeller-Einheit, das Brandschott, Teile des Instrumentenbretts und der Haupttank, zum anderen der zerstörte Kabinenbereich, der Rumpf und Bruchstücke der Tragflächen, sowie das abgebrochene Leitwerk. Die beiden Wracksektionen lagen um 180° verdreht zueinander.

Alle drei Propellerblätter waren im Wurzelbereich in Bezug zur Propellerebene nach hinten abgebrochen. An den Blattvorderseiten waren keine Rotationsspuren feststellbar. Im konnten nur wenige Hebel- und Schalterstellungen identifiziert werden:

Die Propellerverstellung stand auf „AUTO“ und die Drehzahlvorwahl auf ca. 2.400 1/min.

  • Das Zündschloss wurde in Stellung „OFF“ vorgefunden.
  • Der Hebel für die Gemischregulierung stand auf voll reich.
  • Der Fahrwerkshebel war gezogen.

Die Stellung des ausgefahrenen Aktuators zeigte annähernd eine Normalstellung der Landeklappen (0°). Die Stellung der Trimmruder konnte nicht nachvollzogen werden. Die Schwinggabeln der Hauptfahrwerksräder waren deformiert. Zwei der drei Kraftstoffpumpen waren deformiert.

Die Endoskopie des Motors ergab keine Auffälligkeiten, die Zündkerzen zeigten ein normales Verbrennungsbild. Die Vergaseranlage war zertrümmert, zwei Kraftstoffpumpen waren deformiert, eine Kraftstoffpumpe war ohne Befund. Das Wrack wurde in der Untersuchungshalle der BFU einer zweiten technischen Begutachtung unterzogen. Dabei konnten keine weiteren Feststellungen hinsichtlich eines technischen Versagens getroffen werden. Das Titelbild zeigt die ausgelegten Wrackteile des Flugzeuges.

Medizinische und pathologische Angaben

Bei der im Auftrag der zuständigen Staatsanwaltschaft durchgeführten Obduktion sowohl der Leiche des Piloten als auch der Leiche des Fluggastes wurde als Todesursache ein schweres Polytrauma festgestellt. Beide Obduktionen ergaben laut dem Sektionsprotokoll keine Anhaltspunkte für nicht auf den Flugzeugabsturz zurückzuführende fremde äußere todesursächliche Gewalteinwirkung. Außerdem fanden sich an den inneren Organen keine Hinweise für alternativ todesursächliche krankhafte Organbefunde.

Brand

Es gab keine Hinweise auf ein Feuer im Fluge oder nach dem Aufprall.

Beurteilung

Der Pilot war im Besitz des vorgeschriebenen Luftfahrerscheins. Er war berechtigt, das Flugzeug zu führen und hatte die entsprechende medizinische Tauglichkeit. Insgesamt hatte er über einen Zeitraum von 17 Jahren 105 Stunden auf Flugzeugen absolviert. Damit verfügte er nach Auffassung der BFU über eine sehr geringe Flugerfahrung. Über die Kenntnisse und Fertigkeiten des Piloten hinsichtlich Notverfahren und simulierte kritische Situationen zu trainieren, lagen der BFU keine Erkenntnisse vor. Auf dem betroffenen Muster war die allgemeine Flugerfahrung als noch sehr gering einzustufen.

Das Flugzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und technisch geprüft. Die Flugmasse und der Schwerpunkt befanden sich im zulässigen Bereich. Die technischen Befunde ergaben keine Rückschlüsse auf ein Versagen von Bauteilen, Steuerungseinrichtungen oder des Triebwerkes.

Die identifizierten Hebel- und Schalterstellungen ergaben keine eindeutigen Hinweise auf die Konfiguration des Flugzeuges für eine Notlandung. Es herrschten Sichtflugwetterbedingungen. Es gab keine besonderen Wettererscheinungen, die sich störend auf den Flugverlauf und die Handhabung des Flugzeuges ausgewirkt haben könnten.

Die Auswertung der Radaraufzeichnung (SDR) und des GPS zeigten einen relativ geradlinigen Kurs über Grund. Auch die Geschwindigkeit über Grund (GS) blieb bis zum Ende der Aufzeichnung relativ konstant bei etwa 150 kt. Der Einfluss des Windes war vernachlässigbar, so dass festgestellt werden kann, dass sich das Flugzeug deutlich oberhalb der Überziehgeschwindigkeit bewegt hatte. Abb. 6 zeigt Flugrichtung und Geschwindigkeit über Grund. Abb. 7 zeigt Flughöhe, Vergleich und GPS.

Auch die Analyse der Flughöhe ergab bis zum letzten Radarpunkt ein normales Horizontalflugprofil. Abb. 8 zeigt den Flugweg in Bezug zur Unfallstelle.

Die Unfallstelle befand sich in direkter Verlängerung der Kurslinie. Zwischen dem letzten Radarpunkt und der Unfallstelle betrug die Entfernung ca. 700 Meter. Da keine Zwischenhöhen vom erfasst wurden und eine Umdrehung der Radarantenne in der Regel ungefähr fünf Sekunden dauert, muss das Flugzeug in dieser kurzen Zeit unterhalb des Abdeckungsbereiches des Radars gefallen sein.

Der Höhenverlust betrug innerhalb von wenigen Sekunden zirka 1.300 ft. Der Aufprall auf den Boden erfolgte mit einer Längsneigung von etwa 70 bis 80°. Die Differenz zwischen der Lage der Längsachse des Wracks in Bezug zur Flugrichtung von zirka 120° deutet darauf hin, dass das Flugzeug im neben der Drehung um die Querachse (Längsneigung) auch eine Drehung um die Längsachse (Querneigung) erfahren haben muss.

Schlussfolgerungen

Der ist darauf zurückzuführen, dass der Pilot die Kontrolle über sein Flugzeug verloren hat und den unkontrollierten Flugzustand nicht beenden konnte. Die Ursachen für diesen Kontrollverlust konnte die Unfalluntersuchungsstelle nicht ermitteln.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, soweit nicht anders angegeben: BFU