Vor 125 Jahren – im Frühjahr 1891 – unternahm Otto Lilienthal in Derwitz bei Berlin die ersten erfolgreichen Flüge mit einem selbst entworfenen und gebauten Gleitflugzeug. Sein Erfolg beruhte dabei nicht nur auf der Beobachtung des Vogelflugs, sondern auch auf systematischen aerodynamischen Studien, die er ab 1866 mit Unterstützung seines Bruders Gustav unternahm.
Seine Methoden werden bis heute in der Aerodynamik angewandt – zum Beispiel mit dem „Lilienthal Polar-Diagramm“, das Auftrieb und Widerstand eines Flügels in Beziehung setzt. Nach den ersten Flügen in Derwitz folgten hunderte weitere in Steglitz, in den Rhinower Bergen und am künstlich aufgeschütteten „Fliegeberg“ in Lichterfelde. Mit dem in kleiner Serie gebauten „Normal-Segelapparat“ war Lilienthal zudem der erste Flugzeugfabrikant der Welt. Am 09. August 1896 stürzte Otto Lilienthal bei Stölln in den Rhinower Bergen ab und erlag seinen schweren Verletzungen.
Forschung: Wie gelang der erste Menschenflug
Anlässlich des 125 Jubiläums des ersten Menschenflugs würdigt die Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries, die Verdienste Lilienthals: „Mit Otto Lilienthal brach ein neues Zeitalter an. Fliegen ist heute für Viele selbstverständlich. Das Jubiläum macht uns bewusst: So war es nicht immer. Auch wenn seine Geschichte tragisch endete, hat Otto Lilienthal den Weg geebnet, der ins Zeitalter der modernen Luftfahrt führt. Dass wir heute so selbstverständlich Fliegen, verdanken wir Otto Lilienthal als mutigem Luftfahrtpionier. Wir verdanken es aber ebenso dem Wissenschaftler Otto Lilienthal, der mit seinen systematischen Studien erst die Grundlagen für seinen Erfolg gelegt hat.“
Das Jubiläum des ersten Menschenflugs wird auch vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit einem besonderen Projekt begangen. Das DLR hat einen der damaligen Lilienthal-Gleiter nach Originalplänen nachbauen lassen, um ihn im Windkanal mit modernsten wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Die ersten Versuche beginnen heute im Deutsch-Niederländischen Windkanal in Marknesse in Holland.
Dabei soll quasi die Visitenkarte des Gleiters ermittelt werden: wie weit konnte man damit fliegen? Welche Flugmanöver waren möglich? Die wissenschaftlichen Untersuchungen werden vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Göttingen durchgeführt.
Mit den Untersuchungen soll der Nachweis erfolgen, dass Lilienthal ein Flugzeug gebaut hat, das um alle drei Achsen stabil ist. Ferner soll das Flügelprofil genau untersucht werden: wie vergleichbar ist es mit den heutigen? Nicht zuletzt sollen die Ursachen für den tödlichen Absturz Lilienthals geklärt werden. Er stürzte am 09. August 1896 bei Stölln am Gollenberg tödlich ab.
Normalsegelapparat im Nachbau
Nachgebaut wird von den vielen Entwürfen Lilienthals der sogenannte Normalsegelapparat. Dieser war das erste in Serie gebaute Flugzeug der Welt und wurde mindestens neunmal weltweit verkauft. In einem solchen Fluggerät ist Lilienthal tödlich verunglückt. Professor Rolf Henke, Vorstandmitglied des DLR: „Mit dem Projekt wollen wir nicht nur die Wurzeln der Luftfahrt wissenschaftlich analysieren, sondern auch einen der größten Luftfahrtpioniere der Welt würdigen.“
Otto Lilienthal wurde am 23. Mai 1848 in Anklam geboren. Nach Stationen in Berlin und Potsdam begann Lilienthal im November 1867 ein Studium an der Gewerbeakademie Berlin. In seinen Forschungsarbeiten wies er erstmals wissenschaftlich nach, dass gewölbte Flügelquerschnitte einen größeren Auftrieb liefern als ebene Flächen. Otto Lilienthal publizierte seine Ergebnisse 1889 in dem Buch „Vom Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“, das auch im Ausland viel beachtet wurde. Für die Brüder Orville und Wilbur Wright war es der Ansporn für ihre eigenen Arbeiten, die zum ersten Motorflug der Welt am 17. Dezember 1903 führten. Wilbur Wright schrieb später: „Von allen, die das Problem des Fliegens im 19. Jahrhundert behandelten, war Otto Lilienthal zweifelsfrei der Bedeutendste. […] Er war ohne Zweifel der Größte der Vorläufer, und die Welt steht tief in seiner Schuld.“
Das Jubiläum „125 Jahre Otto Lilienthal“ wird mit einer von der „Gesellschaft zur Bewahrung von Stätten deutscher Luftfahrtgeschichte e.V.“ (GBSL) konzipierten Wanderausstellung in mehreren deutschen Städten gewürdigt, unter anderem auch auf der ILA Berlin Air Show vom 01. bis 04. Juni. Großen Anteil an der internationalen Aufmerksamkeit, die Lilienthal genoss, hatten die Fotografien, die ihn im Flug zeigen. Diese waren selbst eine Pionierleistung. Ab 22. Mai widmet sich das Anklamer Otto-Lilienthal-Museum diesem Thema mit der Sonderausstellung „Lilienthal auf Fotografien“.
Auf den Fotos
Hightech trifft Handarbeit – Lilienthal-Gleiter im Windkanal: Im niederländischen DNW-Windkanal untersucht das DLR den originalgetreuen Nachbau eines Lilienthal-Gleiters mit modernsten wissenschaftlichen Methoden.
Neu aufgelegter Originalplan eines Lilienthal-Gleiters: Das DLR hat einen der damaligen Lilienthal-Gleiter nach Originalplänen nachbauen lassen, um ihn im Windkanal mit modernsten wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Die ersten Versuche beginnen am 12.05.2016 im Deutsch-Niederländischen Windkanal in Marknesse in Holland.
Bespannung des Gerüsts: Lilienthals Erfolg beruhte nicht nur auf der Beobachtung des Vogelflugs, sondern auch auf systematischen aerodynamischen Studien.
Der Nachbau des Lilienthal-Gleiters wird im Rahmen der ILA der Öffentlichkeit präsentiert.
Bilderquelle: DLR (CC-BY 3.0)
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