Als am 15. November 2014 um 01:15 Uhr die Batterie leer war und Lander Philae nach fast 60 Stunden Betrieb auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko in Winterschlaf ging, tat er dies an einem Ort, mit dem niemand gerechnet hatte.
Philae war nach der ersten Landung abgeprallt und landete nach einigen Hüpfern schließlich an seinem jetzigen Standort. Doch wo exakt der Lander nun steht, konnte bis heute noch nicht herausgefunden werden. „Wir konnten seinen aktuellen Standort bisher auf einen Bereich von 16 mal 160 Meter eingrenzen“, erläutert Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR).
Die Suche nach dem dreibeinigen Landegerät auf den Aufnahmen der OSIRIS-Kamera erweist sich als schwierig, denn Philae wäre selbst bei voller Beleuchtung durch die Sonne nur wenige Pixel groß. Gleich auf mehreren Bildern könnte Philae zu sehen sein – oder auch nicht. Seit dem 30. Mai 2015 horchen die Ingenieure und Wissenschaftler des Lander-Kontrollzentrums des DLR auch wieder auf Lebenszeichen ihres Landers. „Mit jedem Tag, den der Komet näher in Richtung Sonne fliegt, steigen für Philae die Chancen, dass er genug Energie und Wärme erhält.“
Unbekannter Landeplatz in Schatten und Kälte
Zwei Stunden dauerten am 12. November 2015 die Hüpfer, mit denen Philae von seinem ursprünglichen Landeplatz Agilkia zu seinem etwa einen Kilometer entfernten heutigen Landeplatz Abydos flog. Die Harpunen, mit denen Philae sich hätte verankern sollen, feuerten nicht – und die Eisschrauben in seinen Füßen konnten das Landegerät nicht ausreichend befestigen. Für das Team im DLR-Kontrollraum fing nach der spektakulären Landung die Arbeit erst richtig an: Fast 60 Stunden betrieben sie den Lander, kommandierten seine zehn Instrumente an Bord und drehten ihn am Ende auch noch in Richtung Sonnenstrahlen.
Schon damals wusste man: Dort, wo er nun steht, ist es sehr schattig und kalt. Die Sonne erreicht den Lander an jedem 12,4-Stunden-Kometentag nur für knapp anderthalb Stunden. Thermalsonde MUPUS versuchte, sich in den Kometen zu hämmern, stieß auf eine harte Eisschicht und konnte Temperaturen bis unter minus 180 Grad Celsius messen. „Die Aufnahmen der ROLIS- sowie der CIVA-Kamera zeigen uns außerdem eine eher zerklüftete, schattige Umgebung, sehr wahrscheinlich steht der Lander auch ein wenig schräg – aber die genaue Position von Philae konnten wir noch nicht herausfinden“, erläutert DLR-Wissenschaftler Stephan Ulamec.
Pixel für Pixel auswerten
Zumindest nach dem ersten Touchdown konnten Navigations- und OSIRIS-Kamera noch Bilder von Philae über der Kometenoberfläche aufnehmen. Kurz vor der letzten Landung blickte die OSIRIS-Kamera auf die Hatmehit-Region auf dem Kopf des Kometen – und entdeckte im sehr dunklen Schatten einen etwas weniger dunklen Punkt. Dieser zeigt den Lander Philae oberhalb eines Kraterrandes direkt auf dem Kopf des entenförmigen Kometen. Das Landegerät hat allerdings einen Durchmesser von gerade einmal einem Meter – auf den Aufnahmen der Kameras sind dies nur wenige helle Pixel.
„Es ist extrem schwierig, den Lander in dem unebenen Gelände zu orten und mit Sicherheit zu sagen: Dort steht Philae“, erläutert Dr. Ekkehard Kührt, Planetenforscher am DLR und Mitglied des OSIRIS-Teams. „Hinzu kommt, dass sich Rosetta aus Sicherheitsgründen wegen der zunehmenden Aktivität des Kometen immer weiter von diesem entfernen muss.“ Nur im peniblen Vergleich von Aufnahmen vor und nach der Landung könnte Philae auf den Bildern entdeckt werden. Doch dazu müssten im Idealfall Entfernung und Sonneneinstrahlung der zeitlich verschiedenen Aufnahmen identisch sein. Und ist ein heller Punkt entdeckt, könnte dies beispielsweise auch die Reflektion eines Geröllbrockens auf der Kometenoberfläche sein, die je nach Sonnenstand im Bild erkennbar ist.
Mühsame Suche nach Philae geht weiter
Zudem muss der Standort auch noch weitere Bedingungen erfüllen: Er muss mit den rekonstruierten Flugbahnen des Landers übereinstimmen und zumindest nahe an der mit dem CONSERT-Instrument bisher definierten Lande-Ellipse von 16 mal 160 Meter liegen. Für einige mögliche Philae-Entdeckungen auf OSIRIS-Bilder waren diese Einschränkungen bereits das Ende – die genauere Analyse zeigte, dass die hellen Pixel nicht Philae an seinem finalen Landeplatz zeigen konnten.
Ein vielversprechender Kandidat unter den OSIRIS-Aufnahmen beispielsweise könnte Philae etwas außerhalb der berechneten Lande-Ellipse zeigen. Dabei verglichen Wissenschaftler des OSIRIS-Teams Bilder vom 22. Oktober 2014 – also vor der Landung von Philae aufgenommen – mit Bildern vom 12. und 13. Dezember – also exakt einen Monat nach der Landung aufgenommen. Am 22. Oktober 2015 betrug der Abstand etwa zehn Kilometer vom Kometenkern, im Dezember etwa 20 Kilometer. Das Ergebnis: Gleich auf zwei Aufnahmen im Dezember ist ein heller Fleck zu sehen – und somit eventuell Philae.
Simulationen des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt zeigen aber, dass Philae zum Zeitpunkt der Aufnahme am 13. Dezember 2014 nur wenig von der Sonne angeleuchtet wurde: „Die Sonne hat in diesem Moment nicht die unteren Bereiche des Landers angestrahlt“, erläutert Valentina Lommatsch vom Lander-Kontrollraumteam des DLR. Somit wäre seine Reflektion auch nur auf wenigen Pixeln der Aufnahme aus 20 Kilometern Entfernung zu sehen.
Horchen auf Philaes Ruf
Philaes exakter Standort könnte ermittelt werden, wenn der Lander wieder aus seinem Winterschlaf aufwacht und weitere wissenschaftliche Daten liefert. Dafür benötigt er mindestens fünf Watt sowie eine Betriebstemperatur über minus 45 Grad Celsius. Erst dann schaltet er sich selbständig in den Betriebsmodus. Etwas mehr Energie, nämlich insgesamt 19 Watt, benötigt er, um wieder mit dem DLR-Team am Boden kommunizieren zu können. Damit die Kommunikationseinheit an Bord der Rosetta-Sonde aber auch den Ruf von Philae hören und weiterleiten kann, muss die Konstellation der beiden zueinander günstig sein.
Zurzeit fliegt Orbiter Rosetta in Abständen von etwa 200 Kilometern um den Kometen. Seitdem Churyumov-Gerasimenko immer aktiver wird und Gas- sowie Staubfontänen ins All verströmt, ist der Flug für Rosetta noch anspruchsvoller geworden. „Das Team am DLR-Lander-Kontrollzentrum hat sich in den vergangenen Wochen auf den Betrieb von Philae und seiner Instrumente vorbreitet – jetzt hoffen wir, dass er sich bei uns meldet“, sagt Philae-Projektleiter Stephan Ulamec.
Zur Bilderserie:
Mögliche Kandidaten für Philae: Lander Philae wäre auf Aufnahmen der OSIRIS-Kamera nur wenige Pixel groß. Bei mehreren Bilder scheint der Lander abgebildet zu sein – doch genauere Untersuchungen ließen die meisten Kandidaten unter den Bildern durchfallen. Von den auf dieser Aufnahme der Navigationskamera verorteten OSIRIS-Bildern zeigt nur noch die Aufnahme oben links einen vielversprechenden Kandidaten.
Gebiet des Landeplatzes von Philae: Mit Messungen des Instruments Consert, das sowohl auf Lander Philae als auch auf Orbiter Rosetta installiert ist, wurde der Standort von Philae auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko bisher auf eine Ellipse von 16 mal 160 Metern eingegrenzt (rot markiert).
Vielversprechender Kandidat für Philaes Standort: Im Vergleich dreier Aufnahmen der OSIRIS-Kamera sind helle Flecken erkennbar – dies könnte Lander Philae auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko sein. Die erste Aufnahme (l.) zeigt das Gebiet am 22. Oktober 2014 – also vor Philaes Landung. Die zweite Aufnahme (M.) vom 12. Dezember 2014 sowie die dritte Aufnahme (r.) vom 13. Dezember 2014 zeigen im Unterschied zur ersten Aufnahme mehrere helle Pixel. Allerdings war Philae zur Aufnahmezeit im Dezember nur wenig von der Sonne beleuchtet. Zudem liegt diese mögliche Landestelle außerhalb der berechneten Lande-Ellipse.
Auf der Suche nach Philae: Das Bil zeigt einen Zoom in eine Aufnahme der OSIRIS-Kamera vom 13. Dezember 2014. Zu dem Zeitpunkt befand sich der Rosetta-Orbiter in einer Entfernung von 20 Kilometern vom Kometen Churyumov-Gerasimenko. Zu erkennen sind mehrere helle Flecken, die den Lander Philae zeigen könnten. Eingekreist ist ein vielversprechender Kandidat für Philaes Landeplatz.
Simulierte Beleuchtung von Lander Philae: Diese Grafik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigt, wie die Sonne am 13. Dezember 2014 das Landegerät Philae beleuchtete. Diese Angaben sind wichtig, um mögliche Aufnahmen von Philae an seinem Standort zu überprüfen. In diesem Fall wäre lediglich der blau dargestellte Bereich seiner Solarpanele von der Sonne angestrahlt. Philae wäre daher auf einer Aufnahme auch nur wenige helle Pixel groß.
Helle Reflektionen auf Churyumov-Gerasimenko: Zoomt man nah an das Gebiet auf Komet Churyumov-Gerasimenko, das innerhalb der berechneten Lande-Ellipse liegt, sind gleich mehrere helle Flecken zu erkennen – einer könnte Lander Philae sein, die übrigen sind Reflektionen auf Strukturen der Kometenoberfläche.
Bild-Quellen:
ESA/Rosetta/NAVCAM; ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA
Ellipse: ESA/Rosetta/Philae/CONSERT; Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA
DLR (CC-BY 3.0)
ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA
DLR
ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA