Magnetfelder bewahren Planeten wie unsere Erde vor der starken ionisierten Partikelstrahlung der Sonne und anderer kosmischer Quellen. In den Science-Fiction-Filmen der legendären "Star Trek"-Reihe wird auch die "Enterprise" auf ihren Reisen zu fernen Sternen von einem Schutzschild umgeben, das diese starke Sternenstrahlung abschirmt. Noch ist so eine Technologie Science-Fiction.
Und noch müssen aufwendige Verkleidungen bei Raumfahrzeugen und -stationen das "Dauerfeuer der Sterne" – den sogenannten Sonnenwind – abwehren. Wenn man die Magnetfelder und ihre Schutzmechanismen besser versteht, dann könnte "Raumschiff Enterprise" in naher Zukunft keine bloße Fiktion mehr sein.
Das Magnetic Field Experiment "MagVector/MFX" des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) testet auf der Internationalen Raumstation ISS, wie Magnetfelder mit einem elektrischen Leiter in Wechselwirkungen treten, um dem Geheimnis dieser Schutzhüllen auf die Spur zu kommen.
MagVector/MFX in Rekordzeit gebaut schnell nachgeschickt
MagVector/MFX wurde nach einer erfolgreichen, einjährigen Machbarkeitsuntersuchung im Jahr 2013 entwickelt und gebaut. Die Testphase fand im April und Mai 2014 statt. Die Ablieferung der Flughardware erfolgte schließlich am 20. Mai 2014, die dann als späte Fracht über Turin und Kourou den Weg in den europäischen Raumtransporter "ATV-5 Georges Lemaître" fand, der am 29. Juli 2014 vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guyana) aus auf einer Ariane 5-Trägerrakete gestartet wurde.
Das DLR Raumfahrtmanagement hat zusammen mit Airbus Defence & Space in Bremen das Experiment in Rekordgeschwindigkeit auf die ISS gebracht. In nur 15 Monaten wurde die komplexe Hardware entwickelt, gebaut, getestet, für den Weltraumeinsatz freigegeben und dann auf der ISS in Betrieb genommen. Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst hat dieses Experiment während der Blue Dot-Mission aus ATV-5 ausgeladen, in das europäische Weltraumlabor Columbus eingebaut und erstmals in Betrieb genommen (Titelbild und letztes Bild).
"Scotty, Energie!" – auf der ISS mit MagVector/MFX
Vom 17. bis 19. November herrschte eine starke Anspannung auf dem Airbus-Gelände in Bremen und am German Space Operation Center (GSOC) auf dem DLR-Gelände in Oberpfaffenhofen. Grund dafür war ein rund 75 Kilogramm schwerer, bananenkistengroßer Quader im European Drawer Rack des europäischen Columbus-Moduls. "Wir haben diese Nutzlast in Rekordzeit entwickelt, gebaut, qualifiziert und auf die ISS gebracht.", freut sich DLR-Projektmanager Volker Schmid. Man habe das MagVector/MFX unbedingt auf dem letzten europäischen Raumtransporter ATV-5 mit ins All fliegen wollen, und habe die Nutzlast buchstäblich in letzter Minute abgeliefert.
"Das ganze MagVector/MFX-Team hat hier eine hervorragende Arbeit geleistet", so Schmid. Nach einigen Testläufen im September und Oktober, die noch der deutsche Astronaut Alexander Gerst während seiner "Blue Dot"-Mission startete und bei denen Schritt für Schritt die einzelnen Subsysteme getestet wurden, begann nun erstmals eine volle Messkampagne. MagVector/MFX war fast drei Tage ohne Unterbrechung aktiv.
Magnetischer Staueffekt analog zur Strömungsmechanik
In diesem Experimenteinschub befand sich eine ganz spezielle Probe: In einer kühlbaren Vakuumkammer liegt ein elektrischer Leiter mit veränderbarer Leitfähigkeit. Mit ihm können verschiedene Zustände nachgestellt werden. So haben die Forscher erstmals gemessen, wie sich die Magnetfeldstruktur um ihn herum verändert hat, während er um die Erde kreist.
Denn ein Feld um einen bewegten Leiter herum entwickelt sich nicht gleichmäßig: Der Strahlenschutz der Erde und zahlreicher anderer Planeten wird durch einen Dynamo im Inneren der Himmelskörper angetrieben – einem metallischen Kern, der von mehreren rotierenden Mantelschichten umgeben ist. Im tiefsten Inneren entsteht das Feld, das unsere Erde vor dem permanenten Beschuss durch die hochenergetischen Teilchen des Sonnenwindes und der kosmischen Strahlung bewahrt.
Wie bei diesem "Schutzschild" unserer Erde staut sich das Feld vor dem Leiter auf der ISS auf und dünnt sich hinter ihm wieder aus. "Der Nachweis dieses magnetischen Staueffekts und der Ausdünnung – analog zur Strömungsmechanik – wurde so zum ersten Mal bei unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten, die über unterschiedliche Temperaturen erreicht werden, gemessen", erklärt Schmid.
Ionosphäre als elektrischer Leiter – Experimentelle Astrophysik mit MFX
Doch es gibt auch Planeten und andere Himmelskörper, die nicht selbstständig ein Magnetfeld erzeugen können. Bei unseren Nachbarn Venus und Mars trifft das Magnetfeld der Sonne direkt auf die jeweiligen Planetenatmosphären: Dieses bewegte Feld reagiert mit den durch UV-Strahlung elektrisch leitfähig gewordenen Atomen (Ionen) in der Hochatmosphäre (Ionosphäre) der beiden Himmelskörper.
Die Ionosphären verändern dabei den Ladungszustand ihres Planeten so stark, dass sie von einem schlechten elektrischen Leiter zu einem sehr guten werden. Bisher wurden solche Wechselwirkungen nur durch kostspielige Satellitenmissionen vor Ort untersucht. Doch ist der Orbiter einmal gestartet, dann können Forscher die voreingestellten Messprogramme kaum noch oder gar nicht mehr verändern, um die Parameter den Umgebungsbedingungen anzupassen. "Auf der ISS ist das ganz anders: Hier herrschen ideale Voraussetzungen, um solche Fragestellungen mit dem variablen elektrischen Leiter des MagVector/MFX-Experiments und dem Erdmagnetfeld zu simulieren", so Schmid.
Gleichzeitig wird das lokale Magnetfeld der Erde als Referenz gemessen. Nach der Auswertung eines Datensatzes lässt sich die Einstellung der Experimentbedingungen immer wieder neu vornehmen beziehungsweise verändern. Das Bodenkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen, unterstützt vom ESC bei Airbus in Bremen, übermittelt die neuen Einstellungen zur ISS. In Bremen werden die neuen Messwerte von den Wissenschaftlern ausgewertet.
So kann das Experiment nun erstmals astrophysikalische Zustände und Wechselwirkungen zwischen dem irdischen Magnetfeld und den verschiedensten Körpern im Sonnensystem direkt untersuchen, indem sie in der Experimentbox an Bord der ISS nachgestellt werden. "Mit dieser wichtigen Grundlagenforschung stößt MFX ein Tor zur experimentellen Astrophysik auf", ist sich Schmid sicher.
ISS – das Testraumschiff für magnetischen Schutzschild
"Die ISS ist ein ideales Testgebiet: Sie durchfliegt mit einer Orbitalgeschwindigkeit von rund 7,5 Kilometern pro Sekunde ständig das Erdmagnetfeld – eine einzigartige Laborumgebung, um an einem effektiven Schutzschild zu forschen", erklärt Schmid. Bislang müssen Raumsonden oder Astronauten in einem Raumschiff durch aufwendige Spezialverkleidungen mehr oder wenigen schlecht vor dem "Dauerfeuer" des Sonnenwindes bewahrt werden. Auf der "Enterprise" schirmt ein solches Magnetschutzschild Captain Kirk & Co. von den rasenden Sonnenteilchen ab. Noch ist das zwar Zukunftsmusik.
Doch wenn sich durch MagVector/MFX zum Beispiel folgende Fragen beantworten lassen, könnte man einem solchen Schild schon einen ganzen Schritt näher kommen: Wie interagieren die Ionosphären – vergleichbar mit unterschiedlich guten elektrischen Leitern – mit dem solaren Magnetfeld? Wann bildet sich eine künstliche Magnetosphäre? Wie groß ist das Magnetfeld unserer Erde? Was passiert mit dem Feld im Planeteninneren in Abhängigkeit von der Leitfähigkeit? Wie lassen sich Magnetfelder von Sonne und anderen Himmelskörpern für Raumfahrtanwendungen nutzen? "MagVector/MFX hat erste Ergebnisse geliefert, um diese Fragen in den kommenden Monaten und Jahren zu beantworten", betont Schmid. Bei optimalen Voraussetzungen kann der Betrieb bis Ende 2016 verlängert werden.