Asteroidenlander Mascot (Mobile Asteroid Surface Scout) ist mittlerweile seit anderthalb Jahren an Bord der japanischen Raumsonde Hayabusa2 unterwegs und zurzeit rund 65 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Nun schalteten die Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus dem Kontrollraum des DLR in Köln den schuhkartongroßen Lander und seine vier Instrumente aus Deutschland und Frankreich am 14. Juli 2016 erneut ein, um in den nächsten Tagen vor allem eines herauszufinden: Wie steht es um die Gesundheit von Mascot und den Experimenten an Bord? „Das machen wir einmal jährlich, um zu untersuchen, ob alle Systemkomponenten und Instrumente noch voll funktionstüchtig sind“, erläutert Christian Krause aus dem Kontrollraum-Team des DLR.
Vermessung und Probennahme vom Asteroiden
Das Reisen durch das Weltall ist nicht ohne – erst der stressige Start mit kräftigen Erschütterungen, dann der lange Flug durch Kälte und Vakuum. Am 03. Dezember 2014 startete die Hayabusa2-Raumsonde der japanischen Raumfahrtagentur JAXA mit dem deutsch-französischen DLR-Lander Mascot zu ihrer Mission. Ein Jahr später holte das Gespann noch einmal an der Erde neuen Schwung und sendete Fotos von unserem Planeten, bevor die Reise weiter in Richtung Asteroid Ryugu ging. Noch bis zum Sommer 2018 ist die Sonde durchs Weltall unterwegs und geht dann in eine Umlaufbahn um den Himmelskörper, den DLR-Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann schlichtweg als „schön primitives Objekt“ bezeichnet. „Wir untersuchen mit der Mission ursprüngliches Material aus dem solaren Nebel, mehr als 4,5 Milliarden Jahre alt und kaum verändert“.
Während die Hayabusa2-Sonde den Asteroiden von einer Umlaufbahn aus vermisst und untersucht, wird Mascot unmittelbar auf der Asteroidenoberfläche wissenschaftliche Messungen durchführen. Zudem wird die japanische Sonde Bodenproben aufnehmen und dieses Material 2020 zur Erde zurückbringen. „Das ist ein Gesamtpaket, wie wir es bisher noch nicht hatten: Wir beobachten und kartieren aus der Ferne, vermessen den Asteroiden, untersuchen ihn auf der Oberfläche und bringen Proben zur Erde zurück.“ Um das Gesamtpaket zu ermöglichen, arbeiten Ingenieure und Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich und Japan in einer internationalen Kooperation zusammen.
Mit Ryugu fliegen die Wissenschaftler dabei ein Ziel an, dass ebenso wie der Zwergplanet Ceres zu den Asteroiden der C-Klasse – der kohlenstoffreichen Asteroiden – gehört und dessen Beobachtung von der Erde aus auf im Asteroidenboden gebundenes Wasser hinweisen. Der Himmelskörper, der nach einem unter Wasser liegenden Schloss aus der japanischen Mythologie benannt wurde, ist zudem ein erdbahnkreuzender Asteroid der Apollo-Gruppe. Auch wenn er selbst der Erde wohl nie gefährlich werden wird, wäre es für zukünftige Abwehrmissionen hilfreich, wenn die Forscher mehr über diese Art der Asteroiden erfahren würde. Hayabusa2 und Mascot werden dabei als Team zusammenarbeiten: Hayabusa2 liefert die Daten, um einen geeigneten Landeplatz für Mascot zu finden, Mascot untersucht die Asteroidenoberfläche – und liefert Informationen und Daten über die Umgebung der Bodenproben, die Hayabusa2 zur Erde zurückbringt.
Trainieren für die Selbstständigkeit
Damit dies auch möglichst reibungslos stattfinden kann, trainiert das Team mit einem Bodenmodell des Landers, das sich im DLR-Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) befindet. „Mascot wird vor Ort so selbstständig wie möglich mit seinen vier Instrumenten arbeiten müssen“, erläutert Christian Krause vom Mascot-Kontrollzentrum des DLR. Die große Entfernung bis zur Erde erlaubt keine Steuerung in Echtzeit – die Ingenieure müssen dem Lander das entsprechende „Wissen“ als Software für seine Asteroidenmission mitgeben. In dem Inneren des 30 mal 30 mal 20 Zentimeter großen Landers sind insgesamt vier Instrumente eingebaut: Mit einem Radiometer und einer Kamera des DLR sowie einem französischen Spektrometer und einem Magnetometer der TU Braunschweig sollen die mineralogische und geologische Zusammensetzung der Asteroidenoberfläche untersucht und Oberflächentemperatur sowie Magnetfeld des Asteroiden ermittelt werden.
Mascot selbst kann nach der Landung über Sensoren feststellen, ob er kopfüber oder aufrecht auf der Asteroidenoberfläche liegt. Ein Schwungarm im Inneren kann dann automatisch den Impuls geben, damit Mascot sich wieder in die richtige Lage bringt. Nach den ersten Messungen wird der Lander dann per Schwungarm zur nächsten Mess-Stelle hüpfen. „Wir planen so gut es geht, wissen aber auch, dass wir dabei mit vielen Unbekannten rechnen müssen“, sagt Christian Krause vom DLR. Ryugu hat einen Durchmesser von etwa 900 Metern und nur etwa ein 60.000stel der Erdanziehungskraft. Ein Tag dauert etwa 7,6 Stunden. Gemessen wurden diese Werte allerdings von der Erde aus – wie groß mögliche Fehlerabweichungen zur Realität sind, wird das Mascot-Team ganz genau erst nach der Ankunft in der Umlaufbahn von Ryugu erfahren.
Heizen, messen, senden
Doch zunächst einmal stellt das Mascot-Team seinen Lander bis zum 16. Juli 2016 auf die Probe. Zwei Tage lang heizte es dafür den Lander, der bei rund minus 30 Grad Celsius durchs All fliegt, auf Betriebstemperatur. Nach dem ersten Einschalten werden nun zunächst einmal die entsprechenden Kommando-Sequenzen hochgeladen, mit denen Mascot seinen Gesundheitscheck durchführen soll. Schon jetzt, zwei Jahre vor der Ankunft, benötigt jedes Signal eine Laufzeit von gut drei Minuten pro Weg. Die früheste Reaktion aus dem All erhält das Team im DLR-Kontrollzentrum also erst etwa sieben Minuten, nachdem es eine Nachricht zu Mascot geschickt hat.
Neben den Daten, die Mascot über seinen eigenen Gesundheitszustand senden soll, werten die Ingenieure und Wissenschaftler am Boden auch aus, wie gut die vier Instrumente funktionieren und ob sie durch die bisherige Reise veränderte Parameter aufweisen. Leuchtdioden werden eingeschaltet, ein Kamerabild aufgenommen, der Schwungarm vorsichtig in Bewegung versetzt. „Das darf alles nicht über Jahre hinweg ungenutzt bleiben, sondern muss bis zur Landung immer wieder aktiviert werden“, betont DLR-Physiker Christian Krause. Auch das Zusammenspiel zwischen der Hayabusa2-Raumsonde und dem Lander soll getestet werden, damit für die wissenschaftliche Phase auf dem Asteroiden alles vorbereitet ist. Dann sollen die Daten von Mascot über die Sonde in das japanische Kontrollzentrum der JAXA und von dort aus in das DLR-Kontrollzentrum gesendet werden.
Bis zur Landung im Oktober 2018 wird das Mascot-Team immer wieder Kontakt mit seinem Lander aufnehmen. Mal wird die Gesundheit von Mascot im Mittelpunkt stehen, mal die Kalibrierung der Instrumente, damit die Daten nach der Landung exakt ausgewertet werden können. „Wir wollen nach der Landung nur noch dann eingreifen müssen, wenn etwas schiefläuft – und ansonsten arbeitet Mascot ohne unsere Hilfe selbstständig sein wissenschaftliches Programm ab“, sagt Dr. Tra-Mi Ho, Mascot-Projektleiterin am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme.
DLR bei Hayabusa2
Das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme entwickelte in Kooperation mit der französischen Raumfahrtagentur CNES den Lander und testete ihn unter Weltraumbedingungen bei Parabelflügen, im Fallturm, auf dem Schütteltisch sowie in der Thermalvakuum-Kammer. Das DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik war für die stabile Struktur des Landers zuständig. Das DLR Robotik und Mechatronik Zentrum entwickelte den Schwungarm, der Mascot auf dem Asteroiden hüpfen lässt. Das DLR-Institut für Planetenforschung steuerte die Kamera MASCAM und das Radiometer MARA bei. Überwacht und betrieben wird Asteroidenlander Mascot aus dem DLR-Kontrollzentrum des Nutzerzentrums für Weltraumexperimente (MUSC) in Köln.