Im Rahmen einer Fallstudie zum Thema Schädigung des Nervensystems durch kontaminierte Kabinenluft wurde der mit 43 Jahren verstorbene Pilot Richard Westgate untersucht, der chronische neurologische Symptome aufwies. Nach längerer Leidenszeit verstarb er, stellte jedoch zuvor seinen Körper für wissenschaftliche Untersuchungen post mortem zur Verfügung.
Die Testergebnisse wurden mit Untersuchungsergebnissen verglichen, die vor seinem Tod durchgeführt worden waren und bestätigen beträchtliche neurologische Schäden an Gehirn und Rückenmark, bis hin zur Schädigungen des Herzgewebes.
Schädliche Organophsophate in der Kabinenluft
Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen Befürchtungen hinsichtlich der Neurotoxizität von Schadstoffen, die in die Kabinenluft von Verkehrsflugzeugen gelangen können. Die Luft wird aus den Triebwerken in die Kabine geleitet (sog. "bleed air"), dabei können giftige Inhaltsstoffe der Triebwerksöle – Organophosphate – in die Kabinenluft geraten. Diese Stoffe stehen schon lange unter Verdacht, bei Flugzeugbesatzungen neurologische Schäden zu verursachen.
Diese mitunter chronischen Beschwerden können auch zur Fluguntauglichkeit führen. Die eigene genetische Disposition spielt dabei nach Ansicht der Wissenschaftler eine entscheidende Rolle. Unbestritten ist die Tatsache, dass Organophosphate Schäden am zentralen Nervensystem verursachen.
Die Autoren der Studie, Prof. M.B. Abou-Donia, Duke University Medical School North Carolina, Dr. Frank van de Goot, forensischer Pathologe in Amsterdam, und Dr. Michel Mulder, Berater für Flugmedizin in Amsterdam, hatten weltweit zum ersten Mal die Gelegenheit, post mortem umfangreiche Untersuchungen an einem Flugbestatzungsmitglied durchzuführen.
Problem gehört auf den Tisch – Industrie ohne Standard
"Wir sehen uns in unseren schlimmsten Befürchtungen bestätigt, dass die Giftstoffe in der Kabinenluft zu schwersten Schäden für die Gesundheit führen können", so Jörg Handwerg, Pressesprecher der Vereinigung Cockpit (VC). "Wann wird die Politik sich endlich dem Problem stellen und ihrer Aufgabe gerecht, für den Schutz der Gesundheit von Passagieren und Besatzungen zu sorgen? Es muss Schluss sein mit den Versuchen das Problem klein zu reden und zu ignorieren. Es ist nicht verständlich, warum die Fluggesellschaften heute hunderte von Maschinen mit dieser gesundheitsschädlichen Technik bestellen, statt von den Herstellern eine andere Luftversorgung zu fordern. Die Hersteller haben mehr Zeit als genug gehabt um tätig zu werden."
Jüngst erst startete die herstellende Industrie erneut den Versuch einen bereits gefundenen Kompromiss bei der Definition von zukünftigen Kabinenluftstandards auf EU-Ebene zu kippen und formale Hürden aufzubauen, die die betroffenen Besatzungsmitglieder ausgrenzen sollen.
Jörg Handwerg: "Es ist ein Unding, dass sich die Industrie ihre eigenen Standards schafft, ohne jegliche Berücksichtigung der betroffenen Passagiere." Ein Einschreiten der Zulassungsbehörde EASA sei daher dringend geboten.