Um 13:06 Uhr startete am Donnerstag das europäische Satellitentrio SWARM vom nordrussischen Weltraumbahnhof Plesetsk mit einer Rockot-Rakete ins All. Die Satellitenmission soll das Erdmagnetfeld mit höchster Genauigkeit vermessen und unsere Kenntnisse über die Vorgänge im Erdinneren sowie im erdnahen Weltraum erweitern.
SWARM ist die vierte Erderkundungsmission im Rahmen des ‘Living Planet‘-Programms der europäischen Weltraumorganisation ESA und Deutschland ist mit rund 25 Prozent an daran führend beteiligt. Das vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) finanzierte SWARM-Projektbüro koordiniert auf deutscher Seite die Forscher und die Nutzung der Daten mit dem Ziel, den wissenschaftlichen Gewinn zu optimieren.
Erdmagnetfeld steht vor Umpolung
Unser Heimatplanet ist einem ständigen Beschuss durch energiereiche Teilchen von der Sonne und aus dem Weltall ausgesetzt. Glücklicherweise schützt uns das Erdmagnetfeld vor dieser gefährlichen Strahlung. Messungen der vergangenen Dekaden haben gezeigt, dass das Erdmagnetfeld schwächer wird und – wie häufiger in der Vergangenheit – vor einer Umpolung steht.
Mit hochempfindlichen Sensoren ausgestattet, werden drei baugleiche Satelliten mit einer einzigen Rakete in den Weltraum befördert. Zwei von ihnen werden auf einer gemeinsamen Umlaufbahn in 460 Kilometer ausgesetzt und einer auf eine Bahn in 530 Kilometer Höhe gebracht. Sie werden in Formationen wie ein Schwarm (daher engl. SWARM) die Erde umrunden und das Magnetfeld über vier Jahre hinweg mit bisher nicht gekannter Genauigkeit in drei Dimensionen kartieren.
Alles noch komplizierter als gedacht
Obwohl das Magnetfeld seit etwa 150 Jahren erforscht und vermessen wird, sind unsere Kenntnisse noch sehr lückenhaft. Der deutsche Vorgänger-Satellit CHAMP hat dabei bereits wichtige Ergebnisse geliefert und die Kenntnisse übers Erdmagnetfeld wesentlich erweitert, gleichzeitig aber auch neue Fragen aufgeworfen: Trotz des Schutzschildes dringen manchmal Teilchenschauer bis in die Atmosphäre vor. Die Folgen können vielfältig sein: Stromnetze brechen zusammen, Computer spielen verrückt, Navigationsnetze werden gestört.
Klar ist: Zwischen den äußeren Einflüssen und den irdischen Magnetfeldänderungen verbergen sich vielschichtige, schwer fassbare Prozesse. In jüngster Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass alles noch wesentlich komplizierter ist, als man es je vermutet hätte. Weil alles mit allem zusammenhängt. Mit Hilfe der SWARM-Daten wollen die Geoforscher nun die genauen Zusammenhänge herausfinden.
Auch Meeresströmung erzeugt Magnetfeld
Dank der für SWARM weiterentwickelten Instrumente soll es möglich sein, großräumig Meeresströmungen zu verfolgen. Denn auch die Bewegung des elektrisch leitenden Salzwassers liefert einen Beitrag zum Magnetfeld der Erde. Er ist allerdings um fast fünf Größenordnungen kleiner als das statische Erdmagnetfeld. Auch hiermit soll SWARM einen wichtigen Beitrag zur Klimaforschung leisten, da die Dynamik von Strömungen und Gezeiten der Weltmeere das Klimageschehen wesentlich beeinflusst.
Durch ihre kontinuierlichen Beobachtungen unterstützen die drei baugleichen Satelliten zudem europäische Forschungsaktivitäten in den Bereichen System Erde, Klima und Umwelt und liefern dabei wichtige Referenzdaten in den Fachgebieten Erdmagnetfeld, Ionosphäre, Thermosphäre, Weltraumwetter, Geodäsie und Geowissenschaften.
DLR-Büro koordiniert die Nutzung der SWARM-Daten
Das vom DLR Raumfahrtmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) finanzierte SWARM-Projektbüro organisiert auf deutscher Seite die Nutzergemeinde, berät die Wissenschaftler und koordiniert Forschungsvorhaben. Es erarbeitet ein Nutzungskonzept und betreibt Öffentlichkeitsarbeit.
Mit seinen Aktivitäten arbeitet das Projektbüro daran, nationale und internationale Förderprogramme zur wissenschaftlichen Interpretation von SWARM-Daten einzurichten. Es soll weiteren Nutzern auch außerhalb des wissenschaftlichen Umfelds als Informations- und Kontaktstelle dienen. Damit trägt es wesentlich zum wissenschaftlichen Ertrag dieser Explorer Mission bei.
Gegenwärtig laufen Vorbereitungen zur Validierung der SWARM-Daten, ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung. Für diese Arbeiten hat die ESA ein internationales Wissenschaftsteam berufen, dem von deutscher Seite Institute in Potsdam (GFZ), Kühlungsborn (IAP), Bremen (JUB) und München (IAPG) unter der Führung des SWARM-Projektbüros angehören.
Erdforschungssatelliten des „Living Planet“-Programms
SWARM ist die vierte Mission des ESA Programms „Lebender Planet“, in dem ausgewählte Wissenschaftssatelliten gezielte Beiträge zu wichtigen Fragen der Erdsystemforschung leisten. Von diesen „Earth Explorer“ genannten Satelliten wurde Anfang 2009 die erste Mission (GOCE) erfolgreich gestartet. Die zweite Mission (SMOS) startete im November 2009, die dritte Mission (CryoSat) im April 2010.
Aus Deutschland ist die Firma Astrium mit dem Bau der Satelliten beauftragt, weitere beteiligte deutsche Firmen sind unter anderem IABG, ZARM, ALTRAN und Xperion. Betreibergesellschaft der Trägerrakete Rockot ist die Firma Eurokot GmbH. Die Rakete wird von Plesetsk, 800 Kilometer nördlich von Moskau gestartet. Start, Abkopplung von der Trägerrakete, Platzierung im Orbit sowie der weitere Flug werden vom European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt überwacht.